Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 35
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0037
Die unbestreitbaren Befunde, die Köhler durch sein Aktenstudium zutagegefördert
hat, haben ihn noch einen weiteren Schritt tun lassen, der mir aber neue Diskussionen
zu erfordern scheint. Vom Ergebnis der landesherrlichen Leitung der Albertina
her kritisierte Köhler den Standpunkt der Universität in den zahlreichen Auseinandersetzungen
mit dem Staat bzw. die von der Autonomie ausgehende Universitätsgeschichtsschreibung
. Im historischen Rekurs auf die Gründungsdokumente mit der
Gewährung von Freiheiten und Rechten vermag er nichts als eine interessengeleitete
Fehlinterpretation der tatsächlichen Verhältnisse zu erblicken. „Autonomie" sei nur
ein politisches Schlag- und Kampfwort der Universitätsgeschichtsschreibung gewesen
; 11 das historische Argument sei aber „für die Polemik oder für die Apologie"
gleichermaßen „unbrauchbar".12 Oder, noch schärfer: „Man richtet die Geschichte
nach dem, was man erreichen will. Die Universitätsgeschichtsschreibung, die sich
auf derartige historische Beweise stützt, ist unglaubwürdig geworden".13

Das sind starke Worte. Hier wird die Freiburger Universitätsgeschichtsschreibung
unter Ideologieverdacht gestellt. Dieter Mertens, der Köhlers Ergebnisse im übrigen
anerkennt, hat demgegenüber in seinem eindrucksvollen Vortrag zur 525-Jahr-Feier
von 1982 dezent darauf hingewiesen, daß der Rückbezug auf die Gründungssituation
der Universität immerhin gegenüber dem Landesherrn wiederholt Freiräume verschaffen
konnte.14 Damit ist freilich über die Berechtigung des historischen Rekurses
, die Köhler ja bestreitet, noch nichts gesagt. Deshalb scheint eine neue Erörterung
der Gründungssituation und der Gründungsvorgänge angebracht zu sein. Sie
dürfte um so eher gerechtfertigt sein, als weder Köhler noch Mertens die Gründungsdokumente
selbst eingehender untersucht haben.15 Allerdings hat Köhler für eine
solche Studie gefordert, daß sie nicht ausschließlich aus Freiburger Perspektive konzipiert
werden dürfe, sondern unter Berücksichtigung des politischen Zusammenhangs
den gesamthabsburgischen Interessen in den Vorlanden Rechnung tragen
müsse.16 Dieser methodischen Prämisse eingedenk, will ich im folgenden17 eine
neue Besinnung auf „Freiburg als habsburgische Universitätsgründung" wagen.

Die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen für die Gründung
einer Universität sind Mitte des 15. Jahrhunderts in Freiburg alles andere als günstig
gewesen. Die Stadt hatte sich 1368 von ihrer angestammten Herrschaft, den Grafen
von Freiburg, befreien können, dabei aber so hohe Kredite aufnehmen müssen, daß
der Schuldendienst ihr Budget fast 200 Jahre lang aufs stärkste belastete.18 Da
gleichzeitig der Erz- und Silberbergbau im Schwarzwald zurückging, sank das einst
blühende Fernhandelszentrum mit bedeutender Textilmanufaktur auf das Niveau
einer gewerblichen Mittelstadt ab, in der die Handwerker und deren Zünfte den Ton
angaben. Bedeutende Kaufmannsfamilien verließen Freiburg, um sich auf ihre umliegenden
Grundherrschaften zurückzuziehen. Die drückenden Steuerlasten, die wegen
der hohen Verschuldung unvermeidlich waren, behinderten aber alle Bemühungen
um neue Zuwanderer. So läßt sich in Freiburg ein demographischer Schrumpfungsprozeß
beobachten, der freilich für das Spätmittelalter allenthalben charakteristisch
war.19 Im Jahre 1390 gab es in der Stadt nach neuesten Berechnungen 2137 Steuerzahler
, d. h. etwa 6800 Einwohner, 1450 dagegen nur noch 1515 Steuerzahler oder ca.
4800 Einwohner.20 Die Bevölkerung hätte also in der Zeit der Universitätsgründung
rund ein Drittel unter der noch zwei Generationen vorher erreichten Größe gelegen.

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