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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 157
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0159
Eine Besonderheit der „Industrialisierung" der Bürstenmacherei im südlichen
Schwarzwald ist darin zu sehen, daß die Einrichtung der Fabriken nicht mit einer
„Mechanisierung" einhergegangen ist. In keiner Quelle wird davon berichtet, daß
irgendwelche Maschinen in diesen neuentstandenen Fabriken eingesetzt worden
wären — abgesehen von wasserkraftbetriebenen Maschinen für die Hölzlemacherei,
wie sie aber auch schon früher bekannt waren. Genaugenommen fand also keine Industrialisierung
statt und keine Gründung von Fabriken, sondern es wurden „Manufakturen
" gegründet. Der Konkurrenzvorteil wurde nicht durch technische Neuerungen
(wie etwa in der Textilindustrie), sondern durch ausschließlich kaufmännische
und organisatorische Maßnahmen erzielt.

Arten von Bürsten

Hatte man in früheren Zeiten nur grobe Qualitäten hergestellt und waren erst in der
Blütezeit feinere Bürsten gemacht worden, so brachte die Industrialisierung eine
starke Qualitätsverschlechterung der in Heimarbeit hergestellten Bürsten. Die Heimarbeit
wurde „auf eine solch niedere Stufe heruntergedrückt, (...) daß ihr nur noch
die Herstellung der billigsten Schundware (verblieb), weil sie nur noch für diese Absatz
hatte und die Fertigkeit zur Produktion feinerer Waren nach und nach überhaupt
verloren(ging)."71 Die Großfabrikanten ließen jetzt auch Bürsten zum Maschinenrei-
nigen, zum Putzen gegossener Metallteile und Walzenbürsten herstellen.72 Nach
Klingele verkauften die Hausierer aus Heimarbeit im Jahre 1899 nur noch gröbere
Ware: „Auftragsbürsten, Schuhbürsten, Wichsbürsten, Kleiderbürsten, Lamperibür-
sten, Strupfer, Staubbesen, Kehrbesen, Knopf bürsten, Pferdebürsten, Faßbürsten,
Wagenbürsten usw., lauter gut gefertigte Waren . . ."73

Zahl der mit dem Verfertigen von Bürsten Beschäftigten

Zu Beginn der Industrialisierungsperiode waren im Amtsbezirk Schönau etwa 1600
Personen mit Bürstenbinden und Hölzlemachen beschäftigt74, 1869 in den damals
bestehenden 3 Fabriken etwa 100 Arbeiter, 1889 dann etwa 400 Arbeiter. Im Jahre
1905 waren es 359 Arbeiter in den Fabriken und 871 Heimindustrielle.75

Einkommensverhältnisse und Preise

Insgesamt ging in der dritten Phase das Einkommen der Bürstenmacher stark zurück.
Muth berichtet, daß eine Arbeiterin, die täglich ein Dutzend Kleiderbürsten ä 308
Loch — also insgesamt ca. 3700 Loch — herstellen konnte, dabei aber unablässig
vom frühen Morgen bis in die späte Nacht arbeitete, auf einen Tagesverdienst von
60—65 Pfennig kam. Bei gewöhnlichen Schuhbürsten und Anstreichbürsten, die weniger
schnell zu produzieren waren, war der Verdienst noch geringer.76

Weil die Männer nicht so geschickte Hände hatten, und deshalb nicht das Arbeitstempo
der Frauen erreichten, verdienten sie weniger als die Frauen, außer bei den
„Reiswurzelwaren, deren Verfertigung ausschließlich Männerarbeit (war), (konnte)
ein höherer Verdienst erzielt werden, jedoch gerade diese Waren sind jetzt auch Reservat
der Fabriken."77

Die Löhne in den Fabriken waren höher, bei der allgemein üblichen Akkordarbeit
konnte ein Arbeiter auf 2—3 Mark am Tag kommen, eine Frau verdiente zwischen

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