Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 167
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0169
Zusammenfassung

Fast idealtypisch läßt sich die „Industrielle Revolution" am Beispiel der Bürstenbinderei
im oberen Wiesental darstellen — freilich mit einer großen zeitlichen Verzögerung
gegenüber der übrigen industriellen Entwicklung: von der in sich geschlossenen
ganzheitlichen handwerklichen Fertigung über zunehmende Arbeitsteilung und Trennung
der Produktion vom Handel zu den Manufakturen zum Ende des 19. Jahrhunderts
und zu den mechanisierten und teilautomatisierten Fabriken zu Beginn des
20. Jahrhunderts.

Aus der ursprünglichen Handarbeit des Leodegar Thoma, der auch den Verkauf
noch selbst abwickelte, entwickelte sich noch zu Thomas Lebzeiten (und durch ihn
gefördert) rasch eine starke Arbeitsteilung in drei große Bereiche

— Hölzlemacherei

— Bürstenbinderei

— Hausierhandel.

Die Bürstenbinder ihrerseits beherrschten nicht mehr alle Sparten ihres Handwerks,
die einen arbeitet als „Haarbinder44, die anderen als „Borstenbinder44. Auch diese Bereiche
teilten die Familienoberhäupter noch in kleinere Arbeitsschritte auf, so daß
von der ursprünglichen ganzheitlichen Arbeit nur noch winzige Teilarbeitsschritte für
den einzelnen „Arbeiter44 blieben. Ganz selbstverständlich wurden zu diesen Arbeiten
auch die Kinder herangezogen.

Eine Abhängigkeit der Händler von den Produzenten oder umgekehrt entstand
nicht. „Die Händler blieben Fleisch vom Fleische der Bürstenbinder44. Sie ermöglichten
— zu Anfang von der Regierung gefördert — den Todtnauer Bürstenmachern
den Absatz ihrer Ware im weiteren Umkreis.

Als die Unterstützung der Regierung für die Hausierer teils aus politischen, teils
aus wirtschaftstheoretischen Gründen (Gewerbefreiheit) aufhörte und den Hausierern
Absatzmärkte in der Schweiz und dem Elsaß durch Protektionismus dieser Länder
verloren gingen, waren die angestammten Vertriebswege der Bürstenbinder verloren.

Einzige Abnehmer waren die Manufakturen, die über ein eigenes Vertriebsnetz mit
festen Läden verfügten. Diese Manufakturen waren seit 1869 von kapitalkräftigen
Todtnauern gegründet worden. Ihr Konkurrenzvorteil wurde nicht durch Mechanisierung
oder gar Automatisierung erzielt, sondern ausschließlich auf kaufmännischem
und organisatorischem Gebiet.

Die „Fabrik"Herren kauften den heimindustriellen Bürstenbindern ihre Ware ab,
die ihrer eigenen Vertriebswege verlustig gegangen waren. Bald entwickelte sich eine
völlige Abhängigkeit der Heimindustriellen von den Fabrikherren.

Letztere bestimmten sowohl den Preis als auch die Qualität der in Heimarbeit herzustellenden
Bürsten. Dabei ging ein Großteil der ursprünglichen Handfertigkeiten
verloren, weil die Fabrikherren nur die billigste Ware von den Heimindustriellen abnahmen
, deren Produktion sich im geschlossenen Manufakturbetrieb nicht lohnte.

Fabrikbetriebe im eigentlichen Sinne gibt es erst seit der Jahrhundertwende, als in
Todtnau die ersten Bürstenbindemaschinen von der Firma Zahoransky gebaut wurden
. Diese Halbautomaten führten dann im Laufe der 20er Jahre zum Aussterben der
Heimarbeit in Lohnabhängigkeit von der Fabrik. Die Mechanisierung verwandelte
nun endgültig die ehemals selbständigen Handwerker in Fabrikarbeiter.

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