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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 233
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0235
behauptete, auf dem Basler Zionistenkongreß 1897 sei ein Programm zur Übernahme
der Weltherrschaft durch die Juden ausgearbeitet worden. Für viele Antisemiten
schien dies eine Art rechtfertigender Erleuchtung zu sein. Heute wissen wir, daß
diese Protokolle eine Fälschung auf Weisung der russischen Geheimpolizei Ochrana
waren.12 Weil aber diese Protokolle so überzeugend erschienen, wurden sie im
Laufe der nächsten Jahrzehnte immer wieder publiziert und als echt angesehen, denn
es bestand die Bereitschaft, sie für wahr zu halten. Auch in Deutschland breitete sich
nach 1870 in manchen Kreisen die Ansicht aus, fremde, insbesondere jüdische Kräfte
seien Teil einer riesigen, internationalen Verschwörung, die danach strebte, die
Menschheit zu beherrschen.13

Menschen verfallen leicht derartigen Verschwörungstheorien, weil sie immer schon
das Geheime und das Geheimnis geliebt und für unerklärliche Vorgänge Schuldige
gesucht haben. Tertullian entlarvte um das Jahr 200 einen der ältesten derartigen
Schuldsprüche: „Wenn der Tiber über die Ufer steigt, wenn der Nil sich auf die Fluren
ergießt ..., wenn die Erde bebt, wenn Hungersnot und Seuchen auftreten, sofort
schreit alles: die Christen vor die Löwen!" — damals waren die Christen eine verfolgte
Minderheit.

Es ist kein Wunder, daß auch das nationalsozialistische Regime die Theorie von
der Weltverschwörung der Juden aufgriff und oftmals zur Begründung und Rechtfertigung
antisemitischer Verfolgung benutzte, die es auch früher schon, beispielsweise
im römischen Reich, gegeben hatte. Unter der Herrschaft der Kaisers Theodosius
kam es z. B. Ende des 4. Jahrhunderts zu blutigen Verfolgungen von Häretikern und
Heiden, und Synagogen und Tempel wurden zerstört.

Im folgenden soll, wenn auch nur kurz, die Entwicklung des deutschen Antisemitismus
in den letzten Jahrzehnten vor 1945 angedeutet werden.

b) Der Antisemitismus in Deutschland bis 1938

Der wirtschaftliche Antisemitismus im 19. Jahrhundert begann mit schweren Vorwürfen
und Verleumdungen gegen die Juden, sie seien volkswirtschaftliche Parasitäre,
unfaire Konkurrenten und Ausbeuter. Hauptanlaß für diese Unterstellungen war der
Börsenkrach von 1873.

Nach dem Kriege 1870/71 waren durch die französischen Reparationszahlungen zu
schnell zu viele Millionen nach Deutschland geflossen, und sie hatten zu zahllosen
Firmengründungen und Spekulationen verleitet, die zu einem schweren Rückschlag
führen mußten. Diesen Rückschlag warf man den Juden vor und behauptete, sie hätten
ihn durch ihre Machenschaften verschuldet. Der zunächst erfolgende wirtschaftliche
Aufschwung ging Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Niedergang des bisher
herrschenden Agrarier-Standes, dessen Angehörige aus der Not eine Tugend machten
und sich darin gefielen, die Beschäftigung mit Geld als weniger wertvoll anzusehen
als die eigenen Tätigkeiten. Diese Anschauung setzte auch die erfolgreiche Tätigkeit
z. B. jüdischer Bankiers herab. Symbol von deren Erfolgen war der große Reichtum
des Bankiers von Bleichröder, des „Hausjuden" von Bismarck, wie man ihn nannte,
weil er für Bismarck die finanziellen Geschäfte erledigte.14

In den Organisationen der anwachsenden Arbeiterbewegung gab es nur wenig oder
keinen Antisemitismus, obwohl Karl Marx in seiner Jugend geschrieben hatte: „Wel-

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