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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 235
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waren. Sie erschienen in Deutschland teilweise noch im Kaftan und wurden von vielen
Deutschen mit größtem Mißtrauen betrachtet, weil man glaubte, die einheimischen
Juden hätten die Ostjuden ins Land gerufen, um die jüdische Herrschaft in
ganz Deutschland zu errichten. Die Ostjuden waren im Umgang mit den zaristischen
Behörden gewohnt, daß sie irgendetwas, insbesondere die Auswanderung, nur durch
Bestechung und Korruption erreichen konnten — der Schriftsteller Joseph Roth hat
diese Praktiken in seinem Roman „Hiob" geschildert. Die Einwanderer versuchten
nun verständlicherweise, die geübten Praktiken auch in Deutschland fortzuführen und
erregten damit Aufsehen und schockierten ihre Umgebung. In Berlin kam es bald
schon zu größeren Bestechungsskandalen, die mit den Namen Kutisker und Barmat
verbunden waren. Mit diesen Skandalaffären gab man der nationalsozialistischen
Propaganda, insbesondere dem Berliner Gauleiter Dr. Goebbels, unschätzbares Material
in die Hand, um gegen die Juden zu hetzen.

Nach dem 30. Januar 1933, der Machtergreifung Hitlers, kam es im April 1933 zu
einem Boykott jüdischer Geschäfte; danach ging man dazu über, vor allem mit gesetzlichen
Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung vorzugehen. Dessen ungeachtet
richtete nach der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im März 1935 der
Geschäftsführer des Verbandes Nationaldeutscher Juden einen Brief an Hitler, in dem
er vom schärfsten Kampf gegen alle deutschfremden Volksschädlinge, insbesondere
auch gegen Ostjuden, sprach und am Ende schrieb: „Demgemäß bitte ich Sie, hochgeehrter
Herr Führer und Reichskanzler, namens der durch mich vertretenen nationaldeutschen
Juden um Zulassung zur Erfüllung der Wehrpflicht".21

Der Antisemitismus spielte im Dritten Reich die Rolle einer Staatsreligion und war,
wie Hitler mehrfach betonte, der „Zement", der die so verschiedenartigen Bestandteile
der nationalsozialistischen Weltanschauung zusammen hielt. Nach anfänglichen
Erfolgen in der Innenpolitik zeigte es sich allmählich, daß es außerordentlich schwierig
war, gängige und eingehende Schlagworte wie Rasse, Blut und Boden und Volksgemeinschaft
in reale Politik umzusetzen. Die überhastete Aufrüstung unter dem
Motto „Kanonen statt Butter" führte zur Knappheit von Rohstoffen und Devisen und
zu Einschränkungen für die Zivilbevölkerung. In der Außenpolitik sah sich das Re-
gime nach dem Anschluß Österreichs 1938 vor schwierigen Anpassungsproblemen
und kam zu einem gewissen Stillstand. Hitler plante einen Krieg gegen die Tschechoslowakei
; die Münchner Konferenz Ende September 1938 gab ihm zwar das Sudetenland
, nahm ihm aber den Anlaß zum Feldzug gegen Prag. Hitler sah sich in seinem
Konzept gestört, schwankte in seinen Zielen, und in dieses Vakuum platzten die
Schüsse von Paris. Der 17-jährige Jude Herschel Grünspan schoß auf den Angehörigen
der Deutschen Botschaft Ernst vom Rath und bot damit Hitler den willkommenen
Anlaß zu neuer Judenverfolgung und damit Ablenkung von allen bestehenden Problemen
.

Das Attentat von Paris

Die Persönlichkeit Herschel Grünspans entsprach, wie so häufig bei politischen
Attentätern, nicht der geschichtlichen Bedeutung, die sie ungewollt durch ihre Tat erlangte
. Die Eltern Grünspans waren 1911 aus dem damals zu Rußland gehörenden
Polen ausgewandert, um den dort periodisch üblichen Judenpogromen zu entgehen.

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