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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 236
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0238
Herschel wurde am 28. März 1921 in Hannover geboren. Bis 1936 ging er, zuletzt in
Frankfurt, zur Schule und kehrte dann zu seinen Eltern zurück, fand aber keine Arbeit
. Im selben Jahr fuhr er nach Brüssel, und einige Zeit später nach Frankreich,
wo er bei einem Onkel in Paris Unterschlupf fand. Wahrscheinlich ging er keiner geregelten
Tätigkeit nach. Sicher ist nur, daß er sich einmal bei der Deutschen Botschaft
um eine Wiedereinreise nach Deutschland bemühte, die aber abgelehnt wurde. Das
französische Innenministerium lehnte im Juli 1938 sein Gesuch um Erteilung einer
dauernden Aufenthaltserlaubnis ab, und so hätte er Frankreich eigentlich verlassen
müssen, er blieb aber iUegal bei seinem Onkel wohnen. Anfang November 1938 erhielt
er von seinen Verwandten aus Deutschland eine Postkarte mit der Mitteilung,
daß man alle polnischen Juden aus Deutschland ausgewiesen habe.

Die polnische Regierung hatte im Frühjahr 1938 ein Gesetz erlassen, wonach Polen
ausgebürgert werden konnten, wenn sie mehr als fünf Jahre ohne Unterbrechung im
Ausland gelebt und jede Verbindung mit dem polnischen Staat verloren hatten. Die
deutsche Regierung sah sich daher plötzlich vor der Situation, binnen kurzem mit
mehr als 50000 polnischen Juden, die im Deutschen Reich wohnten und staatenlos
werden konnten, belastet zu werden. Mehrfache Interventionen bei der polnischen
Regierung waren erfolglos, so daß die Gestapo beauftragt wurde, vor Ablauf der im
polnischen Gesetz vorgesehenen Frist, d. h. Ende Oktober 1938, die von der Ausbürgerung
bedrohten polnischen Juden aus dem Reich abzuschieben. Diese Abschiebung
geschah teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen, die dadurch noch verschärft
wurden, daß die Polen weder willens, noch organisatorisch in der Lage waren
, Tausende von Juden in kürzester Frist aufzunehmen und unterzubringen. Unter
den aus Hannover Abgeschobenen befanden sich die Eltern und zwei Geschwister
Herschel Grünspans.

Auf diese Nachricht hin kaufte sich Grünspan am Morgen des 7. November 1938
in Paris einen Trommelrevolver und ging eine Stunde später zur Botschaft des Deutschen
Reiches. Er gab dort an, er müsse ein wichtiges Dokument überreichen, und
wurde auf Geheiß des Botschafters an einen der jüngeren Herren der Botschaft verwiesen
. Da der an sich zuständige Gesandtschaftssekretär. Achenbach zu dieser Zeit
zufällig noch nicht anwesend war, wurde Grünspan in das Zimmer des Legationssekretärs
Ernst vom Rath geschickt. Grünspan schoß fünfmal auf vom Rath, wodurch
dieser schwer verletzt wurde. Der Täter ließ sich widerstandslos festnehmen und
wurde der französischen Polizei übergeben; vom Rath starb am Nachmittag des
9. November.

Am selben Abend traf sich traditionsgemäß in München die Alte Garde der NS-
Bewegung zum Kameradschaftsabend im Alten Rathaussaal. Gegen 21 Uhr erschien
ein Bote, der Hitler mitteilte, vom Rath sei seinen Verletzungen erlegen. Hitler sprach
daraufhin während einer Weile eingehend mit dem neben ihm sitzenden Goebbels und
verließ dann die Veranstaltung. Goebbels gab anschließend den Tod vom Raths bekannt
und hielt eine wüste antisemitische Hetzrede, in der er von bereits erfolgten
Vergeltungsaktionen auf dieses Attentat sprach, dies in so wohlwollender Weise, daß
die Anwesenden daraus für sich die Aufforderung entnehmen konnten, Ähnliches zu
organisieren. Die politischen Leiter der NSDAP alarmierten sofort über Telefon ihre
heimischen Organisationen, ähnliches taten die hohen SA-Führer, denen zuvor der

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