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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 239
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0241
Der britische Geschäftsträger in Berlin berichtete am 16. November 1938 seiner Regierung
: „Ich habe nicht einen einzigen Deutschen, gleich, welcher Bevölkerungsschicht
, angetroffen, der nicht in unterschiedlichem Maße zumindest mißbilligt, was
geschehen ist". Der amerikanische Botschafter berichtete zur gleichen Zeit: „In Anbetracht
der Tatsache, daß dies ein totalitärer Staat ist, ist es ein erstaunliches Merkmal
der Lage, wie heftig und zahlreich die kürzlich unternommenen Aktionen gegen
die Juden von den deutschen Bürgern verurteilt werden". Und der britische Generalkonsul
in Frankfurt schrieb: „Ich bin überzeugt davon, daß, wenn die deutsche Regierung
vom Wahlrecht des Volkes abhinge, die Machthaber und diejenigen, die für
diese Gewalttaten verantwortlich sind, von einem Sturm der Entrüstung weggefegt,
wenn nicht an eine Wand gestellt und erschossen würden". Der amerikanische Generalkonsul
in Stuttgart berichtete seinem Botschafter: „Mindestens 80 Prozent der Bevölkerung
lehnen die Ausschreitungen ab. Viele Leute lassen die Köpfe vor Scham
hängen ... Ich habe von vielen Beispielen gehört, in denen Arier heimgesuchten jüdischen
Familien insgeheim Hilfe leisteten und sie mit Geld und Lebensmitteln versorgten
".25

Es seien hier noch zwei Berichte angefügt, die von Menschlichkeit wie von Unmenschlichkeit
zeugen. Der erste stammt aus dem Erinnerungsbericht der Ehefrau
eines Kölner Arztes. „Am späten Nachmittag wagte es mein Mann, in die Stadtmitte
zurückzugehen. Vor unserem Haus war ein riesiger Abfallhaufen, bewacht von SS-
Leuten. Die ganze Einrichtung des Hauses hatte man vernichtet und das meiste zum
Fenster hinausgeworfen ... Wir betraten das Haus erst wieder nach einigen Tagen.
Es war unfaßbar. Wie sie es fertiggebracht hatten, unsere zwei großen Bronzelampen,
die an zwei schweren Bronzeketten hingen, herunterzunehmen, konnten wir uns nicht
erklären. Alle Bilder — Werke deutscher Maler — waren in kleine Stücke gerissen.
Alles Holz war in so kleine Teile zerhackt worden, daß man kein Möbelstück erkennen
konnte. Uns wurde bestellt, wir sollten eine Dame aufsuchen, die einige Häuser
entfernt auf unserem Platz wohnte. Sie war die Witwe eines Notars, die ich nur vom
Sehen kannte. Nach dreimaliger Aufforderung suchte ich sie auf und fand all unser
Silber, fast alle unsere Teppiche und den größeren Teil unseres Leinenvorrats in ihrem
Speicher. Die Putzfrauen der Gegend hatten sich nach dem Tag der Zerstörung um
fünf Uhr nachts getroffen und unsere Sachen in Abwesenheit der SS-Männer gesammelt
. Jegliche Bezahlung für den Dienst, sagte man mir, müßte abgelehnt werden;
sie würden es als Kränkung betrachten."

Der zweite Bericht ist dem Bonner Lokalteil des „Westdeutschen Beobachters" vom
17. November 1938 entnommen: „In der Nacht zum vergangenen Dienstag bemerkte
ein Polizeibeamter in dem Laden der Jüdin Emilie G., Kaiserstraße, der bei der
Kundgebung der Bevölkerung gegen das Judentum, als dem Schuldigen an der Ermordung
Ernst vom Raths, zertrümmert worden war, Licht und die Schatten mehrerer
Personen. Da der Beamte annahm, es könne sich um Einbrecher handeln, trat er in
den Laden ein und stellte vier Personen, drei Frauen und einen jungen Mann, die mit
Aufräumungsarbeiten beschäftigt waren. Während zwei der Frauen, die jüdische Geschäftsinhaberin
und die Jüdin Josepha H., sofort ihren Namen angaben, verweigerten
die dritte Frau und der junge Mann die Angabe ihrer Personalien. Sie sage ihren
Namen nicht, weil sie ,keine Lust habe, im Westdeutschen Beobachter zu stehen', und

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