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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
108.1989
Seite: 203
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0205
überhaupt vorhanden waren, dienten sie meistens mehreren Häusern gemeinsam. Wo
eine Grube mangelte, befand sich irgendwo im Keller oder Hofe ein Jauchekasten
oder dergleichen, welcher sich schon beim Eintritt in das Haus mehr oder weniger
deutlich bemerkbar machte. Die Entleerung der Gruben mußte durch Ausschöpfen
geschehen, was nächtlicherweise von Bauern besorgt wurde, die den Inhalt, so weit
sie ihn unterwegs nicht wieder verloren, auf ihre Felder verbrachten, dieselben wurden
Nachtkönige genannt und waren gefürchtete Gäste. Drei größere Häuser an der
Kaiserstraße besaßen beispielsweise nur eine gemeinschaftliche Grube, welche unter
der Backstube eines Bäckers lag. Da der letzere in der Nacht, in welcher die Grube
entleert wurde, nicht backen konnte, widersetzte er sich jeweils dieser unappetitlichen
Störung. Die Nachbarn riefen nach der Polizei, welche sich beeilte, den unsauberen
Streit zu schlichten. Fälle ähnlicher Art gehörten zum täglichen Menue . . .
Nicht viel besser sah es mit der Beseitigung der Abwässer aus. Wer zufällig vorüberging
, wenn dieselben nachts in die Straßenbäche geschüttet wurden, tat gut daran,
seine Schritte zu beschleunigen."23

Die Unreinlichkeit der Städte war damals groß, wobei Freiburg mit den Bächle
noch eine gewisse Ausnahme bildete. Jedoch war die Beseitigung des Abwassers und
der Fäkalien 1850 noch so, wie sie seit Jahrhunderten bestanden hat. Vasold schildert
dieses Problem detailliert für Berlin. Dort war R. Virchow als Stadtverordneter dafür
zuständig. In Berlin wurde 1872 beschlossen, daß die Abwässer in einem Kanalisationssystem
von der Stadtmitte zur Peripherie gepumpt und von dort auf Rieselfelder
entleert werden sollten. Dies wirkte sich enorm günstig auf die Gesundheit der Bevölkerung
aus: Von 1.000 Berlinern erreichten unmittelbar vor Einführung der Kanalisation
nur 262 ihr 50. Lebensjahr — 1910 waren es 543.24

In Freiburg wurden 1891 — nach Installation der Zentralkanalisation — die Rieselfelder
in Betrieb genommen.25 Zu den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen
in Freiburg, seiner Umgebung und in Baden finden sich bei F. Kistler detaillierte Angaben
. Um 1850 befanden sich große Teile der badischen Bevölkerung infolge der revolutionären
Ereignisse 1848/49 sowie der militärischen Besetzung und durch Kartoffelmißernten
in großer Not. Die Karlsruher Zeitung berichtet am 19. Januar 1850:
„Wie ist bei uns der Wohlstand gesunken: Nirgends Geld, nirgends Kredit. Von Basel
, Schaffhausen, Stuttgart liegen uns beglaubigte Schreiben vor, daß von diesen
Städten aus kein Kreuzer mehr in das badische Land geliehen wird, weil man kein
Vertrauen in das Volk, in die Gemeindebehörden, in die Landgerichte, in die exekutiven
Behörden, in die unteren Gerichte hat. Wohin soll dies führen? Zu einem immer
tieferen Sinken der Güterpreise und ihrer Erträgnisse, zu einem Sinken der Gewerbe
und ihrer Erzeugnisse, zu einem Sinken des Handels und des Verkehrs, also zu Arbeitslosigkeit
, Verdienstlosigkeit, Verarmung." Der Freiburger Hilfsverein zur Unterstützung
armer Landgemeinden veröffentlichte, zusammen mit seinen Aufrufen zu
Spenden, auch amtlich beglaubigte Zuschriften von Pfarrämtern und Gemeindevorständen
, ohne allerdings den Ort selbst zu nennen. So schrieb z. B. ein Pfarrer aus
dem Schwarzwald im Jahre 1854, veröffentlicht in der Freiburger Zeitung vom
29. März 1854: „Die Armut, der Hunger, zeigt sich in immer schreckbarerer Weise,
die bleichen, abgezehrten Gestalten, die uns umgeben, erscheinen uns wie die bittersten
Vorwürfe, wenn wir endlich unsere Scham nicht überwinden und es ihnen geste-

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