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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
108.1989
Seite: 208
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0210
Am 2. Januar 1863 schreibt Kußmaul an das Hohe Akademische Direktorium der
Universität Freiburg: „Dem H. Auftrage vom 27. Dezember v. Jahres entsprechend
beehrte ich mich ergebenst anzuzeigen, daß ich gesonnen bin, im nächsten Sommerhalbjahr
folgende Vorlesungen in Freiburg zu halten: 1. Spezielle Pathologie und Therapie
, I. Theil täglich von 8 bis 9 Uhr vormittags; 2. Medizinische Klinik, täglich von
9 bis 10 Uhr vormittags. Lieber wäre es mir gewesen, wenn ich die Vorlesungen über
spezielle Pathologie und Therapie schon von 7 bis 8 Uhr hätte abhalten können, doch
wird es ratsam sein, von dem Herkommen nicht abzuweichen, ohne an Ort und Stelle
genaue Rücksprache mit den Herren Collegen genommen zu haben."36

Im Frühjahr 1863 weihte Kußmaul nach altem Herkommen die Übernahme der
Lehrkanzel für Innere Medizin und Klinik an der Universität vor den Angehörigen
und zahlreichen Freunden der Hochschule mit seiner akademischen Antrittsrede
„Die Entwicklungs-Phasen der exacten Medicin" ein.37 41jährig, mit gutem Willen,
scharfem und mutigem Blick, eher künstlerischer Frisur und gestutztem Bart, reich
an praktischer und klinischer Erfahrung, diszipliniert und erfolgreich im Denken,
Forschen und Publizieren, ausgestattet mit einer herzlich-menschlichen Art, stolz auf
seine Heimat Baden, „ein treuer Sohn dieses glücklichen Landes", entfaltete er seine
Richtschnur, den „inneren Geist, in welchem er zu lehren und wirken gesonnen ist."38

Damit begann in Freiburg eine neue Ära der Medizin. Gleich am Anfang seiner
Antrittsvorlesung betonte Kußmaul, daß die Wissenschaft danach strebe, „ihre Erfahrung
gewiß, ihre Wissenschaft genau, ihre Kunst sicher zu machen." Die unentbehrlichen
Grundlagen seien heutzutage Physik, Chemie, Anatomie und Physiologie. Im
Gang durch die Medizingeschichte hob er die Humanisten mit ihrer „rettenden Kritik
" hervor. Er merkte an, daß das Hauptwerk des Kopernikus (De orbium coele-
stium revolutionibus) und des Vesalius (De corpore humani fabrica) im gleichen
Jahre 1543 erschienen seien; Vesalius sei ein Mann wie Kopernikus gewesen, „animo
liber", das Kußmaul bezeichnenderweise mit „frei von Autoritätsglauben" übersetzte.
Vesalius habe mit seiner Anatomie des Menschen den Grenz- und Eckstein für die
Medizin der Neuzeit gesetzt.

Kußmaul rühmte Liebig als denjenigen, „der uns in die Wirtschaftsgesetze des Lebens
einzublicken gestattete". Wichtige vitale Geheimnisse wie der Kreislauf und
Wechsel der Stoffe bei Erhaltung der Form, die Bildung der organischen Materie aus
Erde, Luft und Wasser, gingen auf ihn zurück. Mit dem Begriff des Stoffwechselkreislaufes
hat Kußmaul eine Formulierung gefunden, die der jüdische Assistent
Adolf Krebs 70 Jahre später an seiner Klinik erstmals experimentell belegen und biochemisch
formulieren wird. Für die Entdeckungen des sogenannten Harnstoffzyklus
wird er dann später in der Emigration den Nobel-Preis bekommen. Kußmaul gelingen
immer wieder solche zukunftsweisenden Formulierungen: „Sonden tief in Kanäle
, Nadeln in solide Organe eingestoßen, gaben Auskunft über Beschaffenheit versteckter
Teile. Der Augenspiegel machte die innersten Gebilde des Augapfels bis zum
Sehnerven, der Kehlkopfspiegel das Organ der Stimmbildung und Luftröhre bis zu
ihrer Teilung in die Bronchien der Betrachtung zugänglich." Vier Jahre später wird
er in seiner Klinik das erste Gerät entwickeln, mit dem die Speiseröhre und der Magen
zu spiegeln sind: Er diagnostizierte dann auch erstmals am lebenden Menschen
einen Krebs der Speiseröhre.39

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