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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
108.1989
Seite: 271
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0273
November 1948 vor dem Schwurgericht beim Landgericht Freiburg ein Verfahren eröffnet
, das Gericht verurteilte die beiden erst zu lebenslänglichem Gefängnis, in der
Revisionsverhandlung wurden Strafen von 11 bzw. 12 Jahren Zuchthaus verhängt.90
Im Oktober 1940 hatte Dr. Sprauer eine Versammlung der Landräte, der zuständigen
Kreisbeamten und Anstaltsleiter nach Karlsruhe einberufen. Nach den übereinstimmenden
Aussagen von Zeugen verlief diese Versammlung außerordentlich deprimierend
. Sprauer eröffnete den Anwesenden, daß aus planwirtschaftlichen Gründen
die Anstalt Freiburg geschlossen und die Belegschaft anderer Anstalten reduziert
werde. Mit keinem Wort wurde die geplante Tötung erwähnt. Alle Anwesenden wußten
ohnehin, worum es sich handelte, da die Abtransporte schon seit Juli liefen.
Späth, wie auch die anderen Anstaltsleiter, setzte sich für die Anstalten ein, aber
schon nach wenigen Sätzen wurde ihm das Wort abgeschnitten. Sprauer duldete keinerlei
Widerspruch und drohte allen, die die Schweigepflicht brächen, mit hohen
Strafen. Späth erhielt die Weisung, die Kreispflegeanstalt Freiburg beschleunigt zu
räumen.91

Die Vernichtung der Pfleglinge verlief nach einem einheitlichen Schema. Bei der
Abholung in Autobussen wurde den Anstaltsleitern eine Verlegungsnachricht übergeben
, kurze Zeit danach erhielten die Angehörigen Todesnachrichten, die immer nach
demselben Muster verfaßt waren: Verschlimmerung einer Grippe habe zur stärkeren
Erkrankung geführt, an der der Patient dann gestorben sei; wegen „Seuchengefahr"
sei die Leiche sofort verbrannt worden. Die Urne wurde zugestellt oder amtlich begraben
und die Habseligkeiten zugeschickt. Die badischen Pfleglinge wurden fast
ausschließlich in Grafeneck umgebracht, sie wurden mit Kohlenmonoxyd vergast und
anschließend verbrannt. Ein eigens eingerichtetes Standesamt mit etwa 60—80 Angestellten
fertigte die Todesbescheinigungen sowie die Nachrichten an die Hinterbliebenen
aus.

In Baden fielen der Aktion T4 3—4000 Anstaltsinsassen zum Opfer, insgesamt
wurden 70000 Menschen umgebracht.92

Die Auflösung der Kreispflege Freiburg erfolgte in drei Schüben. Der erste Abtransport
fand am 8. August, der zweite am 10. Oktober 1940 statt. Danach löste
Späth die Anstalt so schnell wie möglich auf. Zugleich waren im Oktober 1940 alle
Freiburger Juden deportiert worden.93

Bei dem ersten Transport war Späth noch guten Glaubens, die Verlegung der Pfleglinge
sei völlig in Ordnung. Um den Pfleglingen die Aufnahme in die neue Anstalt
zu erleichtern, gab er diesen nur sehr gut erhaltene Anstaltskleidung mit; daß die
ganze Aktion geheim sein sollte, brachte er mit dem Krieg in Verbindung.94

Der genaue Ablauf wird durch die Aussagen der Schwester Oberin Ildefonsa nochmals
erschütternd deutlich.95

„Aufgesucht im Lorettokrankenhaus erklärt sie: Vom 19. März 1937 bis 8. Mai
1941 war ich als Schwester Oberin in der Kreispflegeanstalt Freiburg beschäftigt. Leiter
war zu dieser Zeit Verwaltungsdirektor Späth, die Schreibarbeiten erledigte E. B.
Im Herbst mußte die Kreispflegeanstalt für jeden Insassen einen Meldebogen ausfüllen
. Ich habe solche Formulare gesehen, hatte aber mit der Ausfüllung nichts zu tun.
Diese Arbeiten erledigten Direktor Späth und Fräulein B. In der Kreispflegeanstalt
wußte niemand, für welchen Zweck diese Fragebogen bestimmt waren. Am 9. August

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