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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
108.1989
Seite: 306
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0308
„Am Bahnhof spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. Starke Männer standen hier
einander im Abschiedsschmerz gegenüber, und nur das Versprechen eines baldigen
Wiedersehens ließ ihnen den Abschied leichter werden." Noch lange nach der Abfahrt
des Zuges saßen die französischen Frontkämpfer beisammen und „kannten nur
ein Thema: Versöhnung und Friede mit Deutschland."34

So überschwenglich die NS-Berichterstattung auch ausfiel und so berechtigt das
Urteil über den Erfolg der deutschen „Friedensoffensive" auch sein konnte: die Vorahnung
am 4. Juli, daß das Treffen in Frankreich „wohl nicht ganz so schön" sein
werde, hatte nicht völlig getrogen. Unter der Oberfläche gab es einige Irritationen.
Die französischen Frontkämpfer weigerten sich etwa, wie die Deutschen nach Rangordnung
und im Gleich hritt zu marschieren. Der Friedenswille wurde durch einen
betont zivilen statt militärischen Charakter des Treffens unterstrichen: Den französischen
Journalisten fiel auf, daß weniger Uniformen zu sehen waren, daß sich Besan-
gon nicht wie „Nürnberg im Fieberwahn" präsentierte. In der Tat: sieht man von den
Ehrenformationen der französischen Armee und von der Polizei ab, überwog die zivile
Kleidung. Selbst Reichskriegsopferführer Oberlindober erschien nicht in seiner
SA-Uniform, sondern in der wesentlich weniger martialischen des NSKOV. Im Unterschied
zu Freiburg fanden auch ein offizieller Empfang im Rathaus und eine Messe
in der Kathedrale statt, bei der der Segen des Papstes verkündet wurde. All dies hatte
den Planern des Freiburger Treffens offenbar nicht in ihr Konzept der formierten
Ordnung des Individuums gepaßt. Völlig undenkbar war gewesen, daß wie in Besan-
gon anläßlich des Treffens auch ein Gottesdienst in der Synagoge stattfand — wenngleich
man ihn auf den Vorabend verlegt hatte.35

Die Kommunistische Partei verspottete in ihrem Aushängekasten Dr. Maitre und
tat damit — gewiß vorsichtig — ihre Opposition zu jenen Treffen kund. Der Berichterstatter
der „Freiburger Zeitung" ging — ebenso wie die der übrigen deutschen Zeitungen
— darauf nicht ein, versuchte aber seinerseits, die Kommunisten lächerlich
zu machen: „Was tat es, daß in der Menge der Tausenden hier und da ganz verschwindend
und völlig in den Hintergrund gedrängt eine finstere, arme, von Moskau verführte
Gestalt versuchte, die Faust zu ballen. Lachend antworteten die deutschen
Frontkämpfer mit dem Ruf nach Frieden und mit einem Heil auf Frankreich, und
doppelt herzlich klang der Beifall der Massen empor. Immer wieder versuchten französische
Frontkämpfer es uns zu sagen, daß der Bolschewismus in Frankreich auf
verlorenem Posten steht (...)."36

Obwohl demnach durchaus eine herzliche und freundschaftliche Atmosphäre
herrschte, die Teilnehmer einig waren in ihrem Wunsch nach Frieden und Versöhnung
, ließen sich unterschiedliche Akzente gegenüber dem Treffen in Freiburg nicht
übersehen. Die Einbindung in die Vorstellungen der Nazis gelang weniger vollkommen
, selbst wenn das Ziel, die französische (und die deutsche) Bevölkerung von den
angeblich friedlichen Absichten des Deutschen Reiches zu überzeugen, gewiß erreicht
wurde. Die NS-Berichterstattung ließ diese unterschiedlichen Aspekte unter den Tisch
fallen und beschrieb den Tag so, wie er eigentlich hätte verlaufen sollen: Deutlicher
kann nicht werden, wie sehr hier in Kategorien der Inszenierung gedacht wurde.

Der Öffentlichkeit nicht bekannt wurde übrigens auch der Arger, den es intern in
Freiburg im Anschluß an das Treffen gab. Die französische Abordnung, die die Deut-

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