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Die evangelische Kirchengemeinde Freiburg 1933—1945
in der Begegnung mit dem Nationalsozialismus.
Aspekte eines schwierigen Jahrzwölfts1
Von
Hans-Georg Dietrich
Vorbemerkung
Wer sich mit der Begegnung zwischen einer Kirche und einer Staatsform beschäftigt,
muß sich dessen bewußt sein, daß er damit nur einen Teilaspekt von Kirche erfaßt.
Kaum darstellbar ist, was sich in den Jahren zwischen 1933 und 1945 außer und trotz
der Kirchenpolitik doch alles in der Seelsorge, im Gottesdienst, im Unterricht und
im Gebet an Trost und Ermutigung ereignet hat. Ebenso schlagen sich Angst und Gewissensnöte
nur sehr begrenzt in den Quellen nieder. Jeder Versuch einer Darstellung
wird Stückwerk bleiben und sich auf bestimmte Aspekte beschränken müssen. Das
Hauptaugenmerk der folgenden Ausfuhrungen liegt auf dem Kirchenkampf als innerer
Auseinandersetzung der evangelischen Kirche um ihren Weg auf der einen Seite
und als Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Staat auf der anderen
Seite. Diese beiden Elemente sind häufig schwer auseinanderzuhalten und schon deshalb
muß der kirchliche Widerstand vom politischen unterschieden werden.2 Die
Bekennende Kirche war eine Opposition, die antrat, um ihre kirchliche Identität zu
verteidigen, eigene Lebensformen und Werte zu erhalten, das Evangelium vor Verfälschung
zu schützen und den Staatseingriffen in die Kirche Einhalt zu gebieten. Ihre
Gegner waren zumeist die Deutschen Christen; sie wurden heftig angegriffen.
Gleichzeitig beteuerte man immer wieder die Staatsloyalität. Die Bekennende Kirche
übte eine „partielle Kritik am System" und verkörpert damit „eine den Bedingungen
des nationalsozialistischen Regimes angepaßte Opposition".3
Ausgangslage
Die rasche Umwälzung und die umfangreichen Umverteilungen, die der Aufstieg des
Nationalsozialismus mit sich brachte, spiegelt sich auch in den Umschichtungen wider
, die in den kirchlichen Gremien stattfanden. Noch am 10. Juli 1932 bot der Kir-
chengemeinderat Freiburg folgendes Bild:
Von insgesamt 20 Sitzen entfielen 7 auf die konservativ-pietistisch gesinnte Gruppe
der Kirchlich-Positiven; 6 auf die Kirchlich-Liberalen, 3 auf die Völkskirchler (= Religiöse
Sozialisten) und 4 Sitze auf die „Kirchliche Vereinigung für positives Christentum
und deutsches Volkstum" (= Positiv-Völkischen, die sich im März 1933 den
Deutschen Christen anschlössen). Ganz entsprechend sah es im Kirchengemeinde-
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