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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
110.1991
Seite: 282
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1991/0284
Margit Unser, Der badische Gewerkschaftsbund. Zur Geschichte des Wiederaufbaus der
Gewerkschaftsbewegung im französisch besetzten Südbaden (Schriftenreihe der Studiengesellschaft
für Sozialgeschichte und Arbeiterbewegung Bd. 81), Verlag Arbeiterbewegung und
Gesellschaftswissenschaft, Marburg 1989. 223 S,

Frau Unsers Arbeit reiht sich ein in eine Anzahl von Untersuchungen zur Gewerkschaftsgeschichte
in den Westzonen Deutschlands nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches'*.
Nach einer knappen Strukturübersicht über das französisch besetzte Südbaden schildert sie
zunächst den Wiederaufbau der Gewerkschaften auf örtlicher und auf Landesebene. Auffallig
ist die anfängliche Entpolitisierung, die nicht nur auf französischen Druck zurückging. Dies
verwundert um so mehr, als die Kommunisten verhältnismäßig viele Funktionsträger stellten
und der Badische Gewerkschaftsbund durchaus auch politisch Stellung nahm, wie Frau Unser
in einem späteren Kapitel zeigt. Uber die Betriebsräte versuchte die Gewerkschaftsführung,
ihre Organisation in den Unternehmen zu stärken. Der politische Einfluß blieb jedoch gering.
Man wollte die neu gewonnene Einheitsgewerkschaft nicht aufs Spiel setzen, darüber hinaus
ließ die Sorge um die materielle Existenz kaum Zeit für Politik. Den größten Umfang an Aktivitäten
mußten deshalb die Bekämpfung der Lebensmittelnot, Hilfen für Erwerbslose, Maßnahmen
gegen die französische Demontagepolitik und Forderungen nach Lohnerhöhungen
einnehmen. Eine Besonderheit Badens stellte dabei die vorübergehende Zusammenarbeit zwischen
Gewerkschaftsbund und dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband dar, um
die Ernährungslage zu verbessern, eine vernünftige Preispolitik durchzusetzen und die geplante
Bodenreform zu beeinflussen. In dieser wichtigen und heiß umstrittenen Frage konnte
die ungewöhnliche Arbeitsgemeinschaft keinen Erfolg erzielen. Ebensowenig gelang es den
Gewerkschaften, die badische Verfassung oder die Entnazifizierungspolitik — trotz bedeutender
praktischer Tätigkeit — wesentlich mitzugestalten. Ihren Vorstellungen näher kam hingegen
, nach harten Auseinandersetzungen, das Betriebsrätegesetz von 1948, das im Vergleich mit
den Bestimmungen in den anderen Ländern der Westzone und auch mit dem bundesrepublikanischen
Betriebsverfassungsgesetz als das arbeitnehmerfreundlichste gelten kann. Eine vorgesehene
überbetriebliche Mitbestimmung wurde jedoch von der französischen Militärregierung
verhindert.

Frau Unser hat eine intensive Quellenarbeit betrieben und kann dadurch viele bislang unbekannte
Einzelheiten ans Licht bringen. Ihre informative Darstellung läßt allerdings an vielen
Stellen eine vertiefte Analyse vermissen. Zurecht führt Frau Unser aus, daß die Gewerkschaften
ihren Spielraum nicht nutzten, Repressionen der Besatzungsmacht zu sehr fürchteten, aus
Angst vor dem kommunistischen Einfluß die Entpolitisierung vorantrieben und über kein Konzept
verfügten, um den Arbeitern den Zusammenhang von materiellen Verbesserungen und
Produktionskontrolle klarzumachen. Die Ursachen dieses Verhaltens hätten allerdings genauer
zur Sprache kommen können. So wird das Verhältnis zwischen kommunistischen und
nichtkommunistischen Gewerkschaftern nirgendwo systematisch untersucht. Oft hätte man
gern, um noch ein paar Beispiele zu nennen, Näheres über die Hintergründe von Vorkommnissen
(z. B. Heiner Andraes Vorwürfe gegen die Art der Entnazifizierung, S. 183/84), von
Konflikten innerhalb der Belegschaft eines Betriebes (z. B, der häufig erwähnten Rhodia in
Freiburg), von personellen Wechseln in den Spitzenfunktionen erfahren, insgesamt über die
Prägungen der Gewerkschafter, die ihre Handlungen bestimmten. Dennoch ist die Studie von
großem Nutzen, um einen wichtigen Bereich der Nachkriegsgeschichte Badens kennenzulernen
Heiko Haumann

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