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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 164
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den Abrüstung gefordert hatte.53 Ahnlich wie Kautsky dachte auch Karl Liebknecht,
später Rosa Luxemburgs treuster Mitstreiter, als er schrieb, der von ihm geführte Antimilitarismus
sei „an und für sich [. ..] nichts Proletarisch-Revolutionäres [...], sowenig
wie der Militarismus etwas spezifisch Bürgerlich-Kapitalistisches ist".54 Angesichts
der völlig gegenteiligen Analyse des Militarismus durch Rosa Luxemburg
erscheint es einsichtig, weshalb sie einen konträren Standpunkt zu Kautsky und
Liebknecht einnahm und jede „Illusion, daß eine Abrüstung möglich ist", für sich
verwarf.55

Aber nicht nur das Abrüstungspostulat erscheint Rosa Luxemburg im Kampf gegen
den Militarismus als unadäquat, sondern auch der militärische Ungehorsam. In Freiburg
wie in ihrer Verteidigungsrede in Frankfurt hebt sie nachdrücklich hervor, daß
durch Befehlsverweigerung und Meuterei in der Armee der Militarismus nicht zu beseitigen
sei, Vielmehr sei dieser so eng mit dem bestehenden Sozialwesen verbunden,
daß er sich nur mit dessen Hilfe erhalten und deshalb auch nur zusammen mit ihm untergehen
könne. Kriege und alle anderen abscheulichen Aspekte des Militarismus, so
macht Luxemburg in der Freiburger Festhalle klar, hingen eben nicht nur von den
Kasernen, nicht nur vom Exerzieren, nicht nur von den Soldaten und ihrem Gehorsam
ab, sondern von der Maschinerie der gesamten bürgerlichen Gesellschaftsordnung.

Wichtigster Träger dieser Ordnung aber sei nicht die herrschende Klasse, seien
auch nicht die ihr dienlichen Offiziere und ihre Waffenarsenale, sondern die große
Masse des Volkes, das Proletariat. „Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß
Kriege sich heutzutage überhaupt nur führen lassen nicht, solange der Soldat gehorsam
, sondern solange die Völksmasse die Kriege geduldig sich gefallen läßt." Liegt
es also letztlich an der Akzeptanz der Bevölkerung, daß Kriege geführt werden, so
hat sie es auch in der Hand, diese zu verhindern. „Von euch hängt es ab, ein Veto
einzulegen gegen diese halsbrecherische Politik der herrschenden Klasse."

Zuvor jedoch müsse das Volk erst einmal begreifen, daß kein Krieg in seinem
Sinne sein kann, sondern daß die Bevölkerung im Gegenteil immer und überall die
Leidtragende sein werde, weil sie nur für die Interessen anderer, der Kapitalisten, den
Kopf hinhalte. „Ihr alle, Millionen, die ihr seid, ihr Männer und Frauen der Arbeit,
ihr zahlt ja Steuern zur Erhaltung des Staates und der Kriege und des Militärs. Ihr
schickt eure Söhne ins Feuer, ihr habt's an eurem Buckel auszukosten, wenn ein
Krieg auf Jahre, auf Jahrzehnte die ruhige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung
aufhält."

Der Arbeiterklasse den Zusammenhang zwischen Militarismus und Kapitalinteressen
und deren Gegensatz zu ihren eigenen Interessen zu verdeutlichen, „diese Überzeugung
, dieses Bewußtsein zu wecken, ist gerade die Aufgabe, die wir Sozialdemokraten
uns stellen".56 Als „Aufklärungsarbeit" versteht Rosa Luxemburg denn auch
ihre Reden von Bockenheim und Fechenheim, als Appelle an das ganze Volk, sich
nicht in einen Krieg zu stürzen, der nicht in seinem Interesse liegt; der Vorwurf des
Staatsanwaltes, sie hätte gezielt die Soldaten aufgehetzt, sei damit absurd und ein erneuter
„Beweis dafür, welchen Wirrwarr in seinem Hirn die absolute Unfähigkeit angerichtet
hat, der Gedankenbahn der Sozialdemokratie zu folgen4'57

In Freiburg führt Rosa Luxemburg die beiden Hauptgedanken ihres gegen das Militärwesen
gerichteten Programmes, antimilitaristische Völksaufklärung und antimilita-

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