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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 167
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stein, „Der Tag ist nah, der Tag, der uns gehört", jener Beginn einer neuen „Gesellschaft
, die keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen kennt, die keinen
Völkermord kennt". Doch um diesen Tag bald anbrechen zu lassen, bedürfe es der
gemeinsamen und forcierten Anstrengung der Sozialdemokratie, „zum Trotz aller
Staatsanwälte, zum Trotz aller militärischen Macht". Optimistisch und angefeuert von
der kämpferischen Stimmung in der Festhalle schließt Rosa Luxemburg ihren Freiburger
Vortrag mit der Losung: „Mit uns das Volk, mit uns der Sieg!"

Die Reaktion

Luxemburgs Appelle im Stadtgarten waren eine klare Kampfansage an das herrschende
gesellschaftliche und politische System. Tatsächlich nahm der Staat die Herausforderung
von Freiburg an. Die agitatorische Schärfe der Rede und die unverhohlene
Propaganda des politischen Massenstreikes drangen bis zur deutschen
Reichsregierung durch, die daraufhin zum Gegenschlag ausholte. Aus einer Notiz der
Reichskanzlei vom 23. Juni 1914 geht hervor, daß der Reichsjustizminister entschlossen
war, einen erneuten Prozeß gegen Rosa Luxemburg anzustrengen. Hierzu sollte,
wie seinerzeit in Frankfurt, wieder Paragraph 110 des Strafgesetzbuches bemüht werden
. Diesmal wurden die Resolutionen zum Massenstreik, die auf einigen sozialdemokratischen
Großveranstaltungen auf Betreiben Luxemburgs verabschiedet worden
waren,64 als Corpus Delicti vorgeschoben, da auch sie angeblich zum Ungehorsam
aufgefordert hätten.

Die geheime Ordre verrät, wie recht Rosa Luxemburg damit hatte, daß sich das
Staatsgefüge am meisten vor der Massenverweigerung ängstigte und panisch auf jede
Äußerung in diese Richtung reagierte. Zwar sei es keineswegs sicher, so ließ der Justizminister
erklären, daß eine Anklage nach Paragraph 110 erfolgreich sein werde.
Es müsse aber in jedem Falle durch einen Gerichtsentscheid unmöglich gemacht wer
den, „daß man straflos öffentlich zu Sammlungen zur Vorbereitung eines politischen
Massen- oder Generalstreiks auffordern dürfe". Reichten die bestehenden Gesetze
hierfür nicht aus, müsse gegebenenfalls erwogen werden, „ob und inwiefern sie etwa
zu verschärfen wären".65 Nicht nur aus dem Justizministerium kam der Wunsch^
Rosa Luxemburg mit allen Mitteln der Legalität und Halblegalität zu knebeln. Auch
der Innenminister hatte „sich bereits mit aller Entschiedenheit für ein solches Einschreiten
ausgesprochen", und selbst „der Herr R[eichs]K[anzler] hat sich auf Vortrag
damit einverstanden erklärt, daß Anklage erhoben werde".66

Die Anklage der Reichskanzlei gegen Rosa Luxemburg kam jedoch nie zustande.
Die preußische Justiz nahm ihr die heikle Arbeit im Sommer 1914 hilfreich aus der
Hand. Auch für sie war der Auslöser ihrer neuerlichen Aktion gegen Rosa Luxemburg
die Freiburger Rede.

Im Zusammenhang mit der Schilderung verschiedener Fälle von Soldatenmißhand™
lungen in der deutschen Armee war Rosa Luxemburg auch auf das Schicksal eines
jungen Soldaten des Dragonerregiments in Metz eingegangen, der eines Tages „auf
dem Abort in einem Riemen hängend"67 aufgefunden worden war. Zivil- und Militärbehörden
hatten auf Selbstmord erkannt, der Vater des Soldaten dies aber bezweifelt
und seinerseits den Verdacht geäußert, daß der junge Mann durch Mißhandlungen

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