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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 186
(PDF, 29 MB)
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gänge, vor allem unersetzliche Facharbeiter, einzog. Deshalb verschärften die deutschen
Behörden die Aushebungen in Frankreich, Belgien und Holland. Auch dort
wurde unter dem Druck der Ereignisse an der Ostfront die freiwillige Anwerbung zugunsten
der lückenlosen Erfassung ganzer Jahrgänge aufgegeben, und schließlich waren
auch in diesen Ländern Razzien, Verhaftungen auf offener Straße und anschließende
Deportation der Verhafteten an der Tagesordnung.32

„Völkergemeinschaft im Lager" Die Utopie einer
faschistischen Nachkriegsordnung für Europa

Die nationalsozialistische Presse pries das erzwungene Zusammenleben vieler Nationen
als Ausweitung der Volksgemeinschaft in den internationalen Kontext. „Völkergemeinschaft
im Lager" lautete der Titel eines Artikels, den die NS-Zeitung Der Alemanne
im Juni 1943 veröffentlichte. Am Beispiel eines Gemeinschaftslagers bei Wien
wurde vorgeführt, wie sich die Nationalsozialisten „ein geglücktes Experiment" -
so der Untertitel — der Völkerverständigung vorstellten.33

Betont wurden die Ordnung und Sauberkeit, aber auch die ärztliche Fürsorge und
die Beibehaltung der nationalen Küchengewohnheiten, die unter deutscher Führung
ermöglicht wurden. Zum Schluß warf das Blatt einen Blick in die Zukunft: „Das
kommende Europa der Ordnung, der Sicherheit und der friedfertigen Arbeit, hier ist
es auf kleinem Raum verwirklicht. Man arbeitet Schulter an Schulter, man lernt einander
kennen, man versteht einander und man findet, daß man, alle nationalen Eigentümlichkeiten
in Ehren, miteinander sehr gut auskommen kann. Das aber ist es,
was die Achsenmächte wollen und wofür sie kämpfen: Arbeit, Ruhe, Ordnung! Daß
das keine blutleere Utopie ist, dafür sind solche Arbeitslager ein verheißungsvoller
Beweis"34

Mit der Wirklichkeit in den Ausländerlagern hatte diese Propaganda wenig Ähnlichkeit
, aber eine Utopie war das Zwangsarbeitsprogramm der deutschen Führung
in der Tat — eine Utopie, die der Welt einen Vorgeschmack auf das gab, was sie nach
einem deutschen Sieg erwartete: eine „europäische Großraumwirtschaft" unter deutscher
Hegemonie, in der andere Länder nur insofern eine Existenzberechtigung hatten
, als sie zur politischen und wirtschaftlichen Vormachtstellung des Großdeutschen
Reichs beitrugen. Eine Welt, in der Völker nach rassischen Merkmalen sortiert und
in eine Hierarchie minder- und höherwertiger Menschen gepreßt worden wären, auf
Gedeih und Verderb der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Herrschaft des
Deutschen Reichs ausgeliefert. Um, wie es hieß „Gefahren für Rasse und Volkstum
des deutschen Volkes " abzuwehren, erließ Heinrich Himmler als Chef der deutschen
Polizei 1942 eine Verordnung, in der der Wert der einzelnen Nationen exakt differenziert
war.35

Ganz oben in der Hierarchie standen die germanischen Völker, die Holländer, Flamen
und Dänen. Ihnen folgten die Angehörigen verbündeter und befreundeter Staaten
wie Italiener, Spanier und Ungarn. Als nächste die Arbeiter der besetzten Gebiete im
Westen, vor allem Belgier und Franzosen, anschließend die der besetzten Gebiete im
Südosten wie Griechen und Serben. Noch unter diesen standen die Böhmen und
Mähren, unter diesen wiederum die Angehörigen der ehemaligen baltischen Staaten.

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