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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 187
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Es folgten schließlich die Ukrainer und Weißrussen, die Polen, und ganz am Ende
die Russen.36

Stellvertretend für die vielen Sonderbestimmungen, die für Ausländer galten, seien
die für die Zivilarbeiter aus Polen und der Sowjetunion hervorgehoben. Im März
1941 erließ die badische Landesbauernschaft umfangreiche Reglementierungen, die
in Arbeit und Freizeit der Arbeiterinnen und Arbeiter aus Polen rigoros eingriffen
und ihre vollkommene Rechtlosigkeit institutionalisierten. Sie durften die Ortschaften
, in denen sie arbeiteten, nicht verlassen, von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens
bestand ein Ausgeh verbot. Sie durften keine öffentlichen Verkehrsmittel, noch nicht
einmal Fahrräder benutzen. Es war ihnen verboten, sich nach Feierabend zu versammeln
. Der Besuch von Kirchen, Theatern, Kinos und anderen kulturellen Veranstaltungen
war ihnen untersagt. In der Wohnung ihres Arbeitgebers hatten sie nichts zu
suchen, ja, sie sollten nach Möglichkeit in Ställen und Scheunen schlafen. „Irgendwelche
Hemmungen" verfügte die Landesbauernschaft, „dürfen dabei nicht hindernd
im Wege stehen," Darüber hinaus hatte der Bauer das Recht auf körperliche Züchtigung
und war angehalten, Arbeitsunwilligkeit und Sabotage versuche, selbst „freches
Benehmen", umgehend anzuzeigen. Streng verboten war den Polen auch, sexuelle Beziehungen
zu deutschen Frauen zu unterhalten. Für Verstöße gegen diese Anordnungen
war die Gestapo zuständig.37

Ein drakonisches Strafsystem hielt auch die Arbeiter aus der Sowjetunion in ständiger
Angst: ein Versehen, ein kleiner Fehler konnte den Tod bedeuten. Mit Konzentrationslager
bedroht waren eigenmächtiges Verlassen des Arbeitsplatzes, Langsamarbeiten
, Streik oder andere Verstöße gegen die faschistische Arbeitsordnung, aber
auch sexuelle Beziehungen zu anderen Ausländern oder Ausländerinnen. Unweigerlich
die Todesstrafe zogen kommunistische Propaganda, Sabotage — und der Begriff
war sehr dehnbar —, Flucht und sexuelle Beziehungen zu Deutschen nach sich.38

Zahlreiche ausländische Arbeiter wurden für Handlungen in die Konzentrationslager
eingeliefert, die von Widerstand weit entfernt waren, wie jener zwanzigjährige
Russe bei der Freiburger Firma Hellige, der sich weigerte, wie seine anderen Landsleute
in Holzschuhen zu arbeiten.39 Andere kamen für Taten, die sie niemals begangen
hatten, vor die Sondergerichte — schon eine Anklage bedeutete hier fast das sichere
Todesurteil.

Stellvertretend sei der Fall des 21 Jahre alten ukrainischen Landhelfers Michael J.
in Durbach geschildert. Er stand 1944 vor dem Sondergericht Freiburg, weil er angeblich
den Bauernhof seines Arbeitgebers niedergebrannt hatte. Für diese Anschuldigung
fanden sich weder Beweise noch Indizien. Seinen Unschuldsbeteuerungen
schenkte das Gericht unter Vorsitz von Landgerichtspräsident von Frankenberg keinen
Glauben. Stattdessen bemühte es die russische Literatur, um nachzuweisen, „daß
die Reaktionsweise solcher Ostländer eine von der unseren gänzlich verschiedene"
sei, weshalb oft aus nichtigen Anlässen schwere Verbrechen begangen würden.
Außerdem unterstellte das Gericht dem Angeklagten eine politische Motivation, mit
der aberwitzigen Begründung, daß er sich nur deshalb freiwillig zum Arbeitseinsatz
nach Deutschland gemeldet habe, um dem deutschen Volk „bei sich bietender günstiger
Gelegenheit Schaden zuzufügen" Michael J. starb am 29. März 1944 in der Strafanstalt
Stuttgart unter der Hand des Scharfrichters.40

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