http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0151
6
Schreiber an Stein; Freiburg, 6. Okt. 1820
Du hast mich durch Deinen letzten Brief besorgt gemacht, der in einer allzu trüben,
hoffentlich schon wieder vorübergegangenen Stimmung niedergeschrieben war. Du
erhältst eine Dich liebende fleißige, nur für Dich besorgte, dabei körperlich und geistig
gesunde Frau; und dennoch stört Dich ein Grübeln, ob Du Dich nicht bei ihrer
Einführung unter Deine neuen Mitbürger dem Nasenrümpfen des Einen oder Anderen
aussetzen werdest? Mag es auch sein, was liegt viel daran, auch Dir kommt gewiß
öfter der Gedanke: diese oder jene möchte ich nicht; wie kannst Du nun erwarten,
daß Jedermann in Deine Wahl einstimme? Du meinst, es sei wegen der Gesellschaften
nöthig, denen Du nicht ausweichen könnest? Mag wieder sein; aber ist es nicht
besser, wenn sie sich auch nicht sogleich überall auswärts zurechtfindet, als wenn sie
zu Hause fremd wäre? Die Frauen eignen sich im Allgemeinen die Formen des gesellschaftlichen
Lebens bald an, schon deshalb, weil nicht viel dahinter steckt; sie leiten,
beherrschen es, sind die Götzen, denen geopfert wird; ihre Denkwürdigkeiten, —
Bänder, Hüte, Kochereien und Gastereien, Alltagsgeschichten etwas sentimental zugestutzt
, Bälle, Concerte usw. sind so im Allgemeinen die Mischung desjenigen, was
man Anstandsbesuch, Kränzchen und dergleichen nennt. Die Männer, wenn auch
solche zugegen sind, bleiben hier Nebensache. Vor denen hast Du Dich also nicht
zu fürchten, oder nur in so weit, als sie in manchen Stücken das Echo eines weiblichen
Präsidiums sind, und mit einem solchen wird es Deine Frau schon aufnehmen.
Eine wichtige Frage dagegen wäre: besitzt Deine Erwählte auch jenen Grad der
Bildung, welcher Deiner Individualität entspricht? Wir haben in unseren Studentenjahren
oft über das schöne Geschlecht geschwärmt, und wenn wir auch nicht mehr
in die Zeiten der Phyllis und Doris gefallen sind und Jakobiaden gemacht haben, so
streiften wir, angeregt von unserm gemüthlichen Lehrer, doch daran vorüber. Diese
Adoration schwindet nun freilich mit den Jahren, und das Bedürfniß eines verständigen
Zusammenlebens wird fühlbar. Hier kannst Du durch Vorlesen und noch mehr
durch Besprechen Deiner Frau gar viel beibringen, was, von ihrem hellen Kopfe aufgefaßt
, wieder wohlthätig auf Dich zurückwirkt. Und dieses ist es ganz besonders,
was ich für Dich wünsche. Deine Frau sei zumeist gebildet für Dich, für die Frau
Amtmann und Obervogt u.s.w. ist sie es entweder schon oder wird es bald.
Signatur: StadtAF Kl/27/2, S. 81—82 Nr. 38. Abschrift. — Abdruck bei STRACK
(wie Anm. 22) S. 450—451.
7
Stein an Schreiber; Mosbach, IL Februar 1821
Ich werde Vater; diese Gewißheit macht mich unendlich glücklich. In meinem ganzen
Wesen geht mit ihr eine Aenderung vor. Nun erst fühle ich mich recht an das Leben
geknüpft, ich verliere mich aus den Augen und denke mehr und ernster an die Zukunft
. Wenn schon jetzt solche Gefühle sich meiner bemeistern, wie wird es erst dann
sein, wenn ich Vater genannt werde? Heinrich, es ist ein seliges, wohlthätiges Gefühl,
149
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0151