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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
114.1995
Seite: 83
(PDF, 30 MB)
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verdeutlichen können, so vernachlässigen sie aber die Rolle biologischer und psychologischer
Determinanten der Trauerreaktionen."84 Letztlich kann nur ein Anlegen
kulturanthropologischer, ethnographischer, soziologischer, volkskundlicher, philosophischer
und historischer Methoden Licht in diese archaischen und atavistisch anmutenden
menschlichen Verhaltensweisen bringen.

Ahnlich verhält es sich mit dem Pferdebrauch im LeichenzeremonielL Diesem Relikt
einst ritterlichen Standesausweises — omnis nobilitas ab equo ~~ kam im Zeitalter
des Barock als Repräsentationsinstrument erhöhte Bedeutung zu. Nicht nur Anzahl
und Ausstattung der den Leichenwagen ziehenden Gespanne, sondern auch die Mitführung
weiterer Pferde, sei es als Leib- oder Bataillepferd, Toten-, Freuden- und
Trauerpferd symbolisierten Rang und Stellenwert des Dahingegangenen. Zugleich
verband sich äußere Repräsentation mit tief im Volksglauben verinnerlichten Vorstellungen
vom Tode als reitend85 und Rechtsweistümern, deren germanische und
christliche Bestandteile resp. Interpretationen in Gestalt des Besthauptes oder Sterbfalles
als donatio pro anima (Seelgerät)86 Eingang fanden in den Totenkult derge-
stalt, daß die Ubergabe der Pferde als ritterliche Standes Symbole an die Kirche „die
symbolische Rückgabe des Herrschaftsauftrages in die Hand Gottes" anzeigen
sollte87, Doch sehen wir in dieser Zeit die einstige Präsentation des „Pferdeopfers
"88 in Gestalt des Herumführens um den Altar89 bereits reduziert auf eine symbolische
Geldablöse durch die Hinterbliebenen.

Die Mitführung von Pferden im Trauerzug90, erwachsen aus den italienischen
Trionfi und vornehmlich in den Inventionen der Renaissancezeit realisiert91, demonstrierte
im Zeitalter des Absolutismus jedoch zu allererst Repräsentation und
Staats- und verfassungsrechtliche Kontinuität der Herrschaft92 über den Tod des Einzelnen
hinaus, wie dies Trauer- und Freudenpferd allegorisieren93. Gerade das
Freudenpferd, ähnlich der Freudenfahne, symbolisierte insbesondere diesen Anspruch
, wie zeremonielle zeitgenössische Berichte erkennen lassen. So war beim Leichenbegängnis
des Grafen Johann Friedrich von Hohenlohe 1702 der das Freudenpferd
reitende Kürassier „in vollem Cüriß und steter Action geritten, auch so lang
die Predigt, Gesang, Musik und völliger Actus gewähret, in der Kirchen beständig
aufm Pferd geblieben."94 Als spezifisch für das militärische Leichenzeremoniell
kann das Leibpferd95 des Verstorbenen angesehen werden, das unberitten, die Stiefel
verkehrt in den Steigbügeln96? dem Sarge folgte. Auch in diesem Falle dürfen
wir keine Totenfolge, sondern Repräsentation einer verblichenen Standesexistenz vermuten
, wie dies Brückner für den gesamten Pferdebrauch im Leichenzeremoniell -
wohl zu stark verallgemeinernd — annimmt97. Näher der erbrechtlichen Seite stand
das Totenpferd, das nicht so sehr „Befehlsrückgabe nach vollendetem Soldatenleben
"98, als vielmehr Ausfluß der durch Regimentsinhaberschaft und Chefwirtschaft
begründeten Rechtsverhältnisse war, demnach „bey allen Sterbffllen beym Regiment
dem alten Brauch nach, gebühret dem wircklichen Obristen von Haubtmann sein bestes
Pferd, mit Sattel und Zeug, oder 100. Ducaten, vom Lieutenant und Fähnrich
eben vorgedachtes Pferd, oder 50. Ducaten"99, „gleichergestalten wie dem Feldherrn
das beste Pferd mit allem Zugehör gebührt, wann ein Obrister mit Tod abgeht
." 100 Zeremonialrelikte einstigen adeligen Pferdebrauches im barocken Leichenzeremoniell
— Leibpferd und 'trauriger Ritter' — gelangten so über reglementierte


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