Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
114.1995
Seite: 165
(PDF, 30 MB)
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Strukturen, den Sinn für das Vergangene geweckt hatten: Der Sturz des Alten Reiches
, die Auflösung adliger wie geistlicher Herrschaften, ihre Einverleibung bei der
rigorosen Neuordnung der Staaten, die Beseitigung der Stände, Napoleons Fremdherrschaft
und die Befreiungskriege, das waren auch für Schreiber wie für viele andere
seiner Zeitgenossen die entscheidenden Erfahrungen, die das Bewußtsein für das
Besondere, für Eigenart, Herkunft und Werden des Vergangenen geschärft hatten6
— vollends, seit mit dem Jahre 1815 die Hoffnung auf eine Rückkehr Freiburgs und
des Breisgaus zum Hause Habsburg endgültig zunichte geworden war.7

Die gleichwohl immer noch politisch brisanten Aspekte, die mit Schreibers Plan
verbunden waren, enthüllt das Votum, das Stadtrat Weiß im Auftrage des Magistrats
formulierte. Es zeigt sich: Schreibers Gesuch und Intention brachten den Rat in einige
Verlegenheit. Wohl ist, schreibt Weiß, der „Gesuchsteller ein rechtlicher, sehr geschickter
Mann, dem ich schon vieles aus meinen Archivnoten mittheilte,8 und der
gewiß was Schönes in Hinsicht der Geschichte unserer Stadt ausarbeiten könnte und
würde; nur ist der Zeitpunkt heickel, und politische Rücksicht erlaubet nicht, daß
man alles, was geschehen und abgeändert ist, ohne Rüge, Tadel oder schlimme Folgen
und Mißdeutung sage." Die Verantwortlichen wollten keine Störung des labilen,
erst seit kurzem einigermaßen ausbalancierten Verhältnisses zwischen der Stadt, die
sich so entschieden für eine Rückkehr nach Habsburg eingesetzt hatte, und der neuen
Obrigkeit, dem Hause Baden, mit dem man sich endgültig zu arrangieren suchte. Der
Rat hob deshalb auch in seinem Antwortschreiben hervor, daß er Schreibers Angebot
, das Manuskript zu gegebener Zeit dem Magistrat „zur Einsicht" — sprich: Zensur
— vorzulegen, durchaus als Vorbedingung einer Archivbenutzung annahm, „um
unsere Stadt bey so heickelem Zeitpunkte nicht in politische Anstöße und Verlegenheit
zu setzen" — und war im übrigen froh, daß die Urkunden des Hahnenturmar-
chivs im Augenblick unbenutzbar waren, da sie seit 1790 schon, als man im Gefolge
der Französischen Revolution auch in Freiburg mit „tumultuarischen Anzettlungen"
rechnete, in Fluchtkästen ungeordnet verpackt im Rathaus standen!9

Das Interesse an geschichtlichen Themen, ja an historischer, an den Quellen orientierter
Forschung, das Heinrich Schreiber in seinem Gesuch von 1817 plötzlich so entschieden
an den Tag legt, überrascht, waren doch seine Neigungen bis dahin scheinbar
in andere Richtungen gegangen. Zwar hatte auch er während seines Studiums an
der Universität Freiburg, deren damaligen Zustand er übrigens im Rückblick mit sehr
kritischen Worten charakterisiert hat,10 die Vorlesungen Karl v. Rottecks mit großem
Gewinn gehört. Er hat dies in seiner Selbstbiographie dankbar bezeugt: „Bei Schrei-
bers Ubergang zur Universität", so lesen wir dort, „war nur die Lehrkanzel der Weltgeschichte
durch einen jüngeren Mann, den berühmten v. Rotteck, glücklich besetzt.
Man mag ihm auch tiefere Forschung absprechen — er selbst hat niemals darauf Anspruch
gemacht —; man mag in seinen Schriften objectiv-unbefangene Anschauung
und Beurtheilung zu vermissen glauben; so bleibt doch so viel richtig, daß er das ihm
vorliegende Material aus seinem Gesichtspunkte bürgerlichen Rechtes und bürgerlicher
Freiheit vortrefflich zu behandeln wußte und eine Lehrgabe besaß, welche
seine Zuhörer unwiderstehlich fesselte . . .; gewöhnlich verließen diese voll Begeisterung
den Hörsal . . . Durch ihn lernte man — wohin das höchste Streben eines jeden
Professors zielen sollte — sein Lehrfach lieben. Dadurch gewann man zugleich Anre-

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