http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0106
Schreiber kritisierte. Daraufhin griff der Kurator ein und lenkte den Zweck der Sitzung
auf zwei Punkte: L Ob die Maßregelung aufrecht zu halten sei und 2. Ob
Schreiber fortan zur Haltung von Vorlesungen berechtigt sei. Bei der zweiten Frage
gab Reck zu bedenken, daß dabei sowohl die bestehende Lehrfreiheit als auch die
Stellung der Universität zur katholischen Kirche und das Verhältnis der katholischtheologischen
Fakultät zur Kirche zu berücksichtigen sei. Die folgende Diskussion
kreiste daher sehr schnell um eine unbeschränkte, eine beschränkte oder gar keine
Lehrbefugnis für Schreiber.
Während die Senatoren an ihrer Haltung gegenüber Heinrich Schreiber festhielten,
verschärften sich die Argumentation und Auseinandersetzung. Prorektor Schwörer,
der zunächst noch mit der badischen Verfassung argumentiert hatte, trat nun offen
für den Primat der katholischen Kirche in Universitätsbelangen ein. „Professor
Schreiber kann hiernach hier nicht Lehrer seyn und bleiben. Die Regierung hat kein
Recht, ihn hier zu belassen. Er gehet vom Stiftungszweck aus. ... Sie ist und bleibt
eine katholische, was auch immer Mitglieder, die die historische Grundlage der Anstalt
nicht kennen und nicht beachten, scheinen, von ihrem lediglich individuellen
Standpuncte aus daraus machen möchten. Sie ist eine katholische Universität, weil
der Erzherzog Albrecht ihr Stifter solche mit Genehmigung des Kaisers Friedrich III.
und des Pabstes aus Kirchengütem fundirt hat, damit der katholische Glaube gefördert
und verbreitet werde. Sie ist katholisch, weil die Regierung und die Stände sie
wiederholt als solche, also practisch anerkannt haben und dieß Princip zugleich das
ihrer Fortdauer ist, das wenn die Universität es aufgibt, ihren Untergang mit Recht
und Fug nach sich zöge/* Während Schwörer dadurch den Stiftungszweck über alles
stellte, zwar österreichische und badische Regierung wie Stände den Fortbestand der
Universität bestätigen ließ, so negierte er gleichzeitig den Anspruch des badischen
Großherzogtums, über Veränderungen in der Freiburger Universität zu bestimmen«
Entsprechend dieser Argumentation behauptete der Kirchenhistoriker Schleyer,
daß die Lehrfreiheit an der katholischen Universität nicht in Frage gestellt sei, wenn
einem Nicht-Katholiken die Lehrbefugnis entzogen werde. Seine Ausführungen, daß
die Deutschkatholiken nicht als christliche Konfession anerkannt seien, veranlaßte
Stromeyer zum emotionalen „noch nicht"-Zwischenruf. Schleyer führte Schreibers
angebliche Äußerung ins Feld, daß es dessen Aufgabe sei, „... auf dem Felde der
Wissenschaft für die neue Kirche zu wirken. Solle man einem Mann welcher die Tendenz
hat, für eine Secte Proselyten zu machen, ein Lehramt anvertrauen an einer
katholischen Universität?" Woringen bestritt grundsätzlich die Charakterisierung der
Freiburger Universität als katholisch, vielmehr betrachtete er sie sogar als schädlich,
da man dadurch der Freiburger Wissenschaft eine religiöse Färbung nachsagen
könne. Woringen sah daher keinen Grund, Schreibers Lehrbefugnis einzuschränken
und theologische Disziplinen auszuklammern. Stromeyer wollte sogar eine Beratung
der Lehrbefugnis und Lehrfreiheit in der Plenarversaminlung aller Ordinarien veranlassen
und damit einen demokratischen Meinungsbildungsprozeß fördern. Der Kurator
lehnte diese Bestrebungen natürlich sofort entschieden ab. Den Reigen der Diskussionsbeiträge
schloß der unschlüssige Sengler ab, der den Deutschkatholizismus
kritisierte, sich aber zunächst außerstande sah, über Schreiber zu urteilen und sich
am liebsten einem Votum enthalten wollte. Schließlich konnte er sich doch noch auf
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