Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 123
(PDF, 35 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0125
gestellt hat. Es sollte nicht lange gehen, bis es selbst Opfer der eigenen Vorgehensweise
geworden ist» — Damit zeigt sich jedoch ein Grundproblem. Jede Epoche ist
in der Gefahr, ihr Kirchenbild und ihr Kunstverständnis zu verabsolutieren. Die
Söhne haben meist am wenigsten Verständnis für die Kunst ihrer Väter, eher schon
die Enkel.

6. Die Anwendung der retrospektiven Betrachtung auf die Musik

Ein kleiner Exkurs auf das Musikverständnis der streng-kirchlichen Richtung zeigt,
welche Gefahren die „doktrinäre Festlegung" auf ein goldenes Zeitalter der kirchlichen
Kunst in sich barg. Nach dieser Ansicht sollte nur noch der altchristliche Choral
oder allenfalls Pälestrina und seine Zeitgenossen als kirchenangemessene Musik geduldet
werden.

Man unterstellte, daß „die weichliche und lascive Musik"22 des heidnischen
Theaters und Opfers den ersten Christen einen tiefen Abscheu gegen den Gebrauch
der Instrumente einflößen mußte und dementsprechend wird das Ende der überkommenen
Kirchenmusikpraxis gefordert, die angeblich mit den liturgischen Vorschriften
der Kirche nicht in Ubereinstimmung zu bringen wäre. Reichensperger schildert die
seinerzeitige Kirchenmusikpraxis so: „Ihr Grundcharakter ist ein profaner; statt zu
erheben und zu beruhigen, regt diese Musik viel mehr auf; sie zieht von dem Gedanken
ab, den sie rhythmisch verklären sollte. Ihr gegenüber erscheint die Liturgie, die
gottesdienstliche Handlung gradezu als Nebensache; der Concertmeister mit seinen
Fiedeln, Pauken und Trompeten dominiert von der Höhe herab; das Gebet und der
Gesang des Priesters werden nur eben geduldet, kaum ist ein Wort aus seinem Mund
gegangen, so bemächtigt sich das Orchester desselben, zerbricht ihm die Knochen,
zerrt es umher und knetet und verarbeitet es so lange, bis auch nicht mehr der leiseste
kirchliche Anklang erübrigt. Wo die Mittel nicht gestatten, es so ins Große zu treiben
, tritt meist der Organist nach besten Kräften in die eben charakterisierte Rolle
des Orchesters ein und erbaut die Gemeinde im Geiste des musikalischen Fortschritts
."23

Es mag allerdings trösten, daß selbst ein Mann der so strengen kirchlichen Richtung
wie Alban Stolz dieser Einseitigkeit folgende treffende Worte gegenüber gesetzt
hat:

„Die in neuerer Zeit betriebenen polyphonen Meßgesänge halte ich nicht nur für
gemüthlose Kunststücke, sondern für eine Ohrenplage der zur Andacht versammelten
Gemeinde." . . . „Die Fortschritte der Musik in der Kirche nicht benutzen wollen,
sondern nur im alten gregorianischen Gesang lautiren, ist nicht katholisch, sondern
steifes Byzantinerthum."24

7. Das Erbe des 19. Jahrhunderts

Bis vor wenigen Jahren war die Auffassung verbreitet, daß das 19. Jahrhundert für
die Kunstgeschichte weitgehend vergessen werden könnte. Konnte die Wiederholung
der Stile Kunstwerke schaffen, die Bestand haben, oder war das vergangene Jahrhundert
ein einziger Irrweg der Herstellung von Repliken aus dem Mittelalter bis zum


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0125