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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 124
(PDF, 35 MB)
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Neorokoko (als auch diese Epoche plötzlich wieder „salonfähig" wurde), die einen
eigenständigen Geist künstlerischer Schöpfung nicht atmen?

Leider haben wir zulange ausschließlich so gedacht und die Leistungen, die diese
Zeit, wenn auch in Anlehnung an frühere Stilformen, erreichte, nicht erkannt. Hinsichtlich
des Umgangs mit dem Schaffen der Vorgängerepoche haben auch wir repetiert
und diesmal die Kunst des 19, Jahrhunderts — im vollen Einverständnis mit allen
Kunstsachverständigen — als kitschig aus unseren Kirchen hinausgeworfen. Die umfassend
dekorierten und ausgestatteten Kirchenräume sind dabei oft als kahle Stätten
zurückgeblieben. Man sah sich an einem solchen Vorgehen nicht gehindert, obwohl
gerade die Väter des 2. Vatikanischen Konzils in der Liturgiekonstitution ausdrücklich
sich zu einem über die Jahrhunderte reichenden Stilpluralismus bekannt
haben.25

Das Dilemma des 19. Jahrhunderts war, daß es zu keinem eigenen unabhängigen
Stil gefunden hat. Dennoch hat es aber in seiner Art beeindruckende Werke kirchlicher
und profaner Kunst geschaffen, die Anspruch auf Achtung haben, ja sich zwischenzeitlich
der ausgeprägten Wertschätzung erfreuen.

Die Welle der Ausräumung dieser Kirchengebäude ist verebbt. 20 bis 30 Jahre danach
stellt sich die Frage des Umgangs mit den ausgeleerten Kirchenräumen und den
Problemen, die wir mit unseren Eingriffen geschaffen haben. Ist eine Rekonstruktion
der Ausstattung legitim und sinnvoll, soll in diese Kirchen stattdessen die Kunst unserer
Zeit einziehen, wie lange wird sie am Ende bestehen?

Manche Zweitrenovation hat bereits wieder die Spuren der künstlerischen Neuausstattung
, falls eine solche überhaupt erfolgte, getilgt. Viele Räume, die einst opulent
geschmückt waren, hatten jedoch keine Neugestaltung erhalten, die Anspruch auf
eine künstlerische Anerkennung erheben konnte. An die Stelle der umfassenden Dekoration
des 19. Jahrhunderts war schlicht das „Nichts" getreten.

Der Umgang mit der Kunst des Historismus zeigt exemplarisch den raschen Wandel
des stilistischen Geschmacks und die Unsicherheit einer verläßlichen Wertung
des uns unmittelbar vorausgehenden künstlerischen Schaffens. Dem „Hosanna"
folgte bald der „Schlachtruf4. Unser Umgang mit dieser Zeit muß uns daher generell
Mahnung zu größerer Toleranz mit der kulturellen Hinterlassenschaft früherer Zeiten
sein. — Dieser Aufruf zur Toleranz gilt daher auch für die Kunstwerke, die in den
Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg geschaffen wurden und bei denen der fehlende
zeitliche Abstand uns noch vielfach eine gerechte Beurteilung verwehrt.

Diese Darstellung soll daher mit den mahnenden Worten Gurlitts schließen, die ich
als Motto über meinen Beitrag in der Festschrift für Hermann Brommer gesetzt habe:
„Das Alte ist rasch zerstört; es dauert aber Jahrhunderte, ehe Altes wieder entsteht.
Und der Ort ist elend arm, der die Merkmale der eigenen Geschichte vernichtete
!"26


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