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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 216
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0218
„... nicht bestimmungsgemäß abgeliefert, sondern zur eigenen

Verwendung zurückbehalten66

(So KLs 16/45) Dies ist das letzte Todesurteil, ausgestellt in der Ausweichstelle Radolfzell
am Bodensee, datiert auf den 21. 4. 1945. Bis fast zur letzten Stunde hatte
also das Sondergericht Freiburg seine „Arbeit" verrichtet: Am selben Tag waren
französische Truppen in Freiburg eingerückt und hatten der Nazi-Herrschaft ein
Ende bereitet — daher das Ausweichen an den Bodensee.38 Das Urteil ist nur als
Fragment erhalten, Angaben über den/die Richter fehlen.

Zu Gericht gesessen wurde über die 40jährige Lagerhelferin Elsa H. aus Rheinfel-
den-Nollingen, pikanterweise die Ehefrau des dortigen NSDAP-Ortsgruppenleiters.
Wie es zu dem Sondergerichtsverfahren kam, läßt sich aus der Akte nicht ersehen.
Möglicherweise spielte Denunziation eine Rolle oder es sollten auf Kriegsende hin
noch alte Rechnungen beglichen werden, denn immerhin werden in dem Urteil insgesamt
sechs weibliche Zeugen aufgeführt, die alle die Beschuldigungen bezeugen wollen
. Der Schuldvorwurf lautete:

„Die Beschuldigte hat . .. Kleidungsstücke , .., die bei ihr in ihrer Eigenschaft
als Ehefrau des Ortsgruppenleiters der NSDAP in Rheinfelden-Nollingen abgeliefert
worden waren, nicht bestimmungsgemäß abgeliefert, sondern zur eigenen Verwendung
zurückbehalten
L) 1 Kopfkissen

2. ) 1 rotkarierten Bettbezug

3. ) 1 schwarzen Halbrock

4. ) 1 neues Leintuch

5. ) sämtliche Knöpfe einer SA-Uniform."

Das Vertrauen in den „Endsieg" war offenbar nicht mehr groß im Hause des Ortsgruppenleiters
. Der jedenfalls hatte wohl die Zeichen der Zeit erkannt und „nach Bekanntwerden
der Tat seiner Frau um Enthebung seines Amtes gebeten". Auch die
Auflistung zeugt nicht gerade von großer Spendenfreude. Nur die Justiz glaubte immer
noch, durchgreifen zu müssen. So schreibt der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht
Freiburg am 5. 4. 1945: „Die Beschuldigte kann nur mit dem Tode bestraft
werden "

Das Sondergericht schließt sich der Auffassung des Oberstaatsanwalts an und ahndet
die Unterschlagungen der Angeklagten mit Verhängung der Todesstrafe. Ihre Vergehen
werden als „Verbrechen nach der Verordnung zum Schutz der Sammlung von
Kleidung und Ausrüstungsgegenständen für die Wehrmacht und den Deutschen
Volkssturm" gewertet. Damit greift das Gericht auf eine der letzten NS-Verordnungen
zurück, die eindrücklich vor Augen führt, daß das Regime gewillt war, den Terror
bis zuletzt aufrecht zu erhalten.

Hier der vollständige Wortlaut der Verordnung nach Abdruck im RGBl. 1945 I,
S.5:

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