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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 219
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wurden. In zwei Fällen sticht die außerordentlich breite Schilderung sexuellen Fehlverhaltens
der Angeklagten ins Auge. In diesem Zusammenhang wurde in der Begründung
des Gerichts für die Verhängung der Todesstrafe auch angeführt, die Angeklagte
habe „als Gattin, Mutter und R)stbeamtin versagt" (So KLs 43/42). In einem
anderen Fall wird die ablehnende Haltung zur Gnadenfrage vom Vorsitzer neben anderem
auch damit begründet, der Verurteilte habe „seine Frau betrogen" (So KLs
106/42).

Bemerkenswert ist ebenso, daß die Ubereinkunft zwischen dem Reichsführer SS
Heinrich Himmler und dem Reichsjustizminister Thierack vom 18, September 1942,
nach der „in Zukunft Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer nicht mehr von
ordentlichen Gerichten, soweit es sich um Strafsachen handelt, abgeurteilt werden
sollen, sondern durch den Reichsführer SS erledigt werden",43 im Bereich des Sondergerichts
Freiburg keine Anwendung fand.44 Bei der Aburteilung des polnischen
„Plünderers" D. (So KLs 7/45) im Jahre 1945 begründet das Gericht seine Zuständigkeit
explizit mit der Polenstrafrechtsverordnung von 1941.

Auch die Forderung Freislers nach einer „standgerichtlichen" Arbeitsweise45
wurde in Freiburg nicht in die Tat umgesetzt. Während beispielsweise „Plünderer"
in anderen Städten noch am Tag der Tat abgeurteilt wurden/6 fanden die Prozesse
gegen die beiden Freiburger Beschuldigten erst ein Vierteljahr nach Begehung der Tat
statt. Das rettete zwei Menschen das Leben, Allerdings wurde letztlich doch kurzer
Prozeß gemacht: Zur Verhängung der Todesstrafe bedurfte es in der Regel eines halben
Verhandlungstages*

Insgesamt kann nicht die Rede davon sein, die Richter hätten sich nicht den Forderungen
des Regimes gebeugt. Die einschlägigen NS-Strafverordnungen wußten sie
wohl anzuwenden; und bei einigen Fällen kann man sich kaum des Eindrucks erwehren
, als ob manchen Richtern die Schwammigkeit und Uferlosigkeit der NS-Verord-
nungen mit ihren Generalklauseln gerade recht gekommen wären, um ihre persönlichen
Vorstellungen von Recht und Ordnung — gegebenenfalls auch in Todesurteile
— umzusetzen. Letztlich manifestiert sich in den Urteilen ein Gemisch aus nationalsozialistischer
Weltanschauung und konservativ-reaktionären Moral Vorstellungen.
Auch der bis zum Schluß aufrecht erhaltene Anschein von Recht und Rechtsstaatlichkeit
kann nicht über das Resultat dieser Verbindung von nationalsozialistischen und
bürokratisch-konservativen Elementen hinwegtäuschen: 29 Menschen wurden von
den Freiburger Sonderrichtern zum Tode verurteilt. Damit übertrafen sie sogar die
Erwartungen der NS-Justizführung, wie die Umwandlungen zweier Todesurteile in
Haftstrafen durch das Reichsjustizministerium belegen.

Nun soll jedoch hier nicht der Eindruck erweckt werden, als habe das Sondergericht
Freiburg reihenweise Todesurteile verhängt. Allerdings bleibt festzuhalten: Vergleicht
man die Gesamtzahl der erhaltenen Verfahrensakten mit den Verfahren, in
denen die Todesstrafe verhängt wurde, so ergibt sich, daß in jedem 26. Prozeß ein
Todesurteil ausgesprochen wurde. Das wären rund vier Prozent der Fälle. Auf die
Zahl der Personen bezogen läßt sich ein Anteil von drei Prozent errechnen.

Zum Vergleich: Für das im Jahre 1937 errichtete Sondergericht Kiel wurden eben-
fells drei Prozent ermittelt,47 auch für das Sondergericht Saarbrücken dürfen ähnliche
Zahlen erwartet werden.48 Für das erst 1940 eingerichtete Bremer Sonderge-

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