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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 234
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0236
hensverpflichtungen endgültig weg, der Adel diente fortan ausschließlich der Landesherrschaft
und trat ihr zunehmend als Körperschaft entgegen, Dieses Verhältnis wertet Speck als nur in
Ausnahmelallen antagonistisch: Im Hinblick auf die Reformation zeigt er vielmehr, daß die
Regierung der Vorlande mit Sitz in Ensisheim etwaige reformgesinnte Adlige schwerlich des
Landes verweisen konnte, war sie doch auf den Ritterstand als Finanzquelle und militärischen
Partner angewiesen. Auch wenn nach 1585 ein konfessionell härterer Kurs gesteuert wurde,
der ein allmähliches Wiedereinverleiben des Adels in das katholische soziale Beziehungsge-
flecht zur Folge hatte (wollte er seiner Teilhabe an Pfründenverleihungen und Amterbesetzungen
nicht verlustig gehen), blieb dem Adel ein relativ großer HandlungsSpielraum erhalten,
so daß in Specks Worten „[d]er Protestantismus des landsässigen Adels als Mittel zur Selbstbehauptung
und Kompensation gegenüber einem vordringenden landesfürstlichen Absolutis-
mus ... in den vorderösterreichischen Landen, im Gegensatz zu Österreich unter der Enns,
ohne Notwendigkeit und Funktion [war]" (S. 493).

Die ersten unvollständigen und undatierten Landstandsmatrikeln („Landleutezettel" im damaligen
Sprachgebrauch) erwähnen dagegen die Prälaten nicht; erst 1468 treten sie hinzu. Die
Landstandschaft der Prälaten leitete sich indes nicht nur von ihrem Güterbesitz auf österreichischem
Boden her; die Habsburger waren vielmehr stets bestrebt, über Schirmverträge und
Vogteirechte die Einbindung der Reichsklöster in den territorialen Vasallenverband zu erzielen
. Ausschlaggebend für die politische Entfaltung der Landstände wurde der Prälatenstand
freilich nie: Die mächtigste elsässische Abtei, das Doppelkloster Murbach und Luders, widersetzte
sich dem Integrationsdruck der Habsburger zwar energisch, doch mit begrenztem Erfolg
, ohne daß sie es versucht hätte, als Anführerin eines landständischen Gegenpols zum En-
sisheimer Regiment — eine Rolle, die sie durchaus hätte spielen können — aufzutreten, Diese
Rolle fiel nunmehr dem dritten Landstand zu. Speck macht auf die breitgefächerte Palette
landständischer Interessenswahrnehmung aufmerksam, die die Städte und Amter Vorderösterreichs
beanspruchten. Als Pendant zu den auf den Landtagen regelmäßig zwecks Steuerentlastung
vorgetragenen — wenn nicht gar vorgetäuschten — Gravamina befaßte sich der dritte
Landstand mit Problemen der wirtschaftlichen Versorgung mit Nahrungsmitteln, der Marktkonkurrenz
und des ländlichen Handwerks, mit dem Münzwesen und mit verschiedenen
Aspekten sozialer Wohlfahrt, ohne sein berechtigtes Interesse an fiskalischen und militärischen
Angelegenheiten preiszugeben. Diesem wenig erforschten Bereich (wie Speck mit Recht
betont) widmet er aber nur einige Streifzüge, eine nährere Untersuchung betrachtet er als
wichtiges Forschungsdesiderat. Da eine solche aus der Feder des Rezensenten demnächst vorliegen
wird, seien hier lediglich einige kritische Bemerkungen angebracht.

Für das gesamte 15. und 16. Jahrhundert kommt Speck auf die erstaunliche Zahl von etwa
1600 Landtagen. Unter diesen befinden sich freilich Teillandtage für das sundgauische oder
breisgauische „Gestade" bzw. Versammlungen einzelner Land stände. Hinzugerechnet werden
aber ferner Tage, die im Namen des Rappenmünzbundes von der vorderösterreichischen Regierung
zur Beratung über polizeiliche Angelegenheiten einberufen wurden. Obgleich Ensisheim
meist der Tagungsort war, sind solche Polizeitage auf keinen Fall mit vorderösterreichischen
territorialen Landtagen zu verwechseln, da sie sich aus Mitgliedern des Rappenmünzbundes
zusammensetzten, zu denen auch einige elsässische Reichsstädte gehörten, die ihre
Reichsstandschaft durch Teilnahme an /««^ständischen Tagen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt
hätten. Eine Sichtung der einschlägigen Akten legt bloß, daß die Initiative häufig von
den Städten und nicht von der Regierung ausging, die zur Wahrnehmung gemeinsamer, die
Grenzen von Vorderösterreich überspringender polizeilicher Belange nur widerwillig gebracht
werden konnte. Ein weiteres Problem tritt bei der Beurteilung der von Speck als Ausschußtage
bezeichneten Versammlungen auf, die vor den eigentlichen Landtagen als planende Gremien
zusammentraten. Welcher verfassungsrechtliche Status kam ihnen zu? Sind sie als Zeichen

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