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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 120
(PDF, 95 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0122
Kroeschell/Maurer - Gesetzgebung und Rechtsprechung

Übrigens war man im 18. und 19. Jahrhundert
vielfach der Ansicht, schon den Reichstagen zwischen
1495 und 1505 (und damit auch dem Freiburger
Reichstag) müsse ein Entwurf der peinlichen
Gerichtsordnung vorgelegen haben.33 Ein entsprechendes
Schriftstück ließ sich jedoch bisher nicht
auffinden. Nun ist nicht zu bezweifeln, daß der
„Carolina" die Bambergische Halsgerichtsordnung
von 1507 zur Vorlage diente, und da diese seit langem
als ein Werk des bambergischen Hofmeisters
Johann von Schwarzenberg galt,34 hat man nach
älteren Vorarbeiten kaum noch gesucht. Heute ist
die Urheberschaft Schwarzenbergs allerdings
höchst zweifelhaft geworden.35 So ist wohl auch die
Frage wieder offen, ob die unbekannten Verfasser
des für seine Zeit hochmodernen und wissenschaftlich
solide fundierten Gesetzes überhaupt in Bamberg
zu suchen sind, oder nicht doch eher am Kammergericht
oder im Umfeld der Reichstage.

Das Eintrittsrecht der Enkel

Ein letzter Punkt in der Denkschrift des Kammergerichts36
betraf mit dem sogenannten Eintrittsrecht
der Enkel eine Frage, in der es bei den Rechten, zu
deren Anwendung das Gericht berufen war, einen
inneren Widerspruch gab.

Auf Grund ihres Amtseides waren die Beisitzer
des Reichskammergerichts nämlich gehalten, „nach
des Reichs gemeinen Rechten", also nach dem „gelehrten
" römischen und kanonischen Recht, zu urteilen
, zugleich aber auch nach den „Ordnungen,
Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer,
Herrschaften und Gerichte", wenn sie in nachweislicher
Geltung standen.37 Die letzteren gingen dem
gemeinen Recht im Falle einer Abweichung sogar
vor; jenes galt also nur „subsidiär".

Ein solcher Widerspruch zwischen gemeinem
und „partikularem" Recht war nun beim Eintrittsrecht
der Enkel gegeben. Ein Beispiel mag das Problem
veranschaulichen. Nehmen wir an, ein Vater
hatte drei Söhne. Als er starb, war einer dieser Söhne
bereits tot, hatte aber seinerseits zwei Söhne hinterlassen
. Sollte der Erblasser nun allein von seinen
beiden überlebenden Söhnen beerbt werden, oder

waren auch seine beiden Enkel (die Söhne des vorverstorbenen
Sohnes) erbberechtigt?

Das römische Recht hatte diese Frage in dem
Sinne beantwortet, daß auch die Enkel erben, und
zwar so, daß sie sich den Anteil ihres verstorbenen
Vaters teilen.38 Sie treten also gleichsam an seine
Stelle (daher „Eintrittsrecht", in der älteren Literatur
oft auch „Repräsentationsrecht"). In den germanischen
Rechten dagegen gingen den Enkeln ursprünglich
nicht nur die Söhne, sondern auch noch
der Vater und die Brüder des Verstorbenen vor.39
Allerdings haben schon verschiedene Germanenkönige
das Eintrittsrecht durch Gesetz eingeführt,
und zwar sogar für weibliche Nachkommen.40

In Deutschland trat das Problem zuerst in der
Zeit Ottos des Großen auf.41 Der Mönch Widukind
von Corvey berichtet in seiner Sachsengeschichte,42
daß es einen Streit gegeben habe über die Frage, ob
die Enkel mit den Brüdern ihres verstorbenen Vaters
das Erbe des Großvaters teilen dürften. Auf
Befehl des Königs wurde der Konflikt auf einer
Reichsversammlung, die im Jahre 938 zu Steele (bei
Essen) stattfand, durch Gottesurteil entschieden,
und zwar durch einen gerichtlichen Zweikampf, bei
dem der Verfechter des Eintrittsrechts der Enkel
obsiegte. Vor allem für das sächsische Rechtsgebiet
war damit die Entscheidung gefallen; wie der berühmte
„Sachsenspiegel" (um 1220/1230) zeigt, war
das Eintrittsrecht dort überall anerkannt - freilich
nur für Sohneskinder, nicht für Tochterkinder.43 In
diesem weiteren Sinne setzte sich das Eintrittsrecht
nur sehr langsam durch.

Diese Lage spiegelt sich auch in den Freiburger
Reichstagsakten wider. Der Reichsabschied bestimmt
zwar, daß die Enkelinnen und Enkel an Stelle
ihrer verstorbenen Väter oder Mütter zum großelterlichen
Erbe zugelassen werden sollten, wie dies
dem gemeinen römischen Recht entspreche.44 Zugleich
hebt er entgegenstehende örtliche Gewohnheiten
als ungerecht und unbillig ausdrücklich auf.
Er muß allerdings einräumen, daß das abweichende
Herkommen „in etlichen Landen ein ganzer
Landsbrauch und Gewohnheit ist" und gibt den
Fürsten und Ständen dieser Lande die Möglichkeit,
sich auf dem folgenden Reichstag noch einmal zu

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