Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 140
(PDF, 95 MB)
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Bernhard Qeschger - Kulturgeschichtliche Aspekte

rügt, die wohl für die damalige Zeit recht freizügig
ihre Reize gezeigt hatten.6 Weitaus mehr Beachtung
fand jedoch die konforme Verwendung von Stoffen
, Farben und Schmuck. Nach der Verordnung
von 1498 kamen Gold und Silber als Zierat oder
Besatz ausschließlich dem Adel zu. Gold firmierte
für lange Zeit als alleiniges Symbol des ersten Standes
. Interessanterweise gelten für Angehörige der
Ritterschaft und Gelehrte gemeinsame Kleidungsvorschriften
. Offensichtlich hat der akademische
Stand bereits Anschluß an die Oberschicht gefunden
. Farbliche Einschränkungen bei der Auswahl
der Stoffe spielen noch keine bedeutende Rolle. Im
darauffolgenden Jahrhundert wird diesem Element
standesmäßiger Zeichengebung ein großes Gewicht
zufallen. Die Einhaltung der Kleiderordnungen
überwachten vielerorts eigene städtische Beamte. Sie
sprachen bei Verfehlungen Rügen aus und trieben
verhängte Geldbußen ein. Ihnen zur Seite standen
Gehilfen, die zur besseren Kontrolle der Bevölkerung
unerkannt ihre Arbeit verrichteten.7

Bettlerwesen

Die Regelung des Bettlerwesens hatte schon mehrere
Reichstage beschäftigt und stand 1498 in Freiburg
ebenfalls auf der Themenliste. Der Reichstag
beschloß, das Betteln nur mit „Schwachheit oder
Gebrechen" belasteten notleidenden Personen zu
gestatten. Kinder von Bettlern werden ihren Eltern
entzogen und erhalten eine Ausbildung im Handwerk
oder sonstigem Dienst, „damit sie nit also für
und für dem bettel anhangen."8 Bettelei stellte im
Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit ein stetig
wachsendes Problem dar. Der Zustrom mittelloser
Menschen in die aufstrebenden Städte {Abb. 6)
mehrte eine Einwohnerschaft, von der oft mehr als
die Hälfte nur eine geringe oder keine Kopfsteuer
zu zahlen in der Lage war. Große Teile der Bevölkerung
lebten auf Dauer am Rand des Existenzminimums
und konnten nur mit fremder Hilfe ihr Dasein
fristen. Freiburg hatte schon 1424 Maßnahmen
zur Eindämmung der unkontrollierten Bettelei getroffen
, um den Zuzug in die Stadt zu verringern.
Damals gehörten über 30 Prozent seiner Einwohner
zur Klasse der Armen.9 Auf Grund der ungleichen
ökonomischen und rechtlichen Voraussetzungen
und eines anderen gesellschaftlichen Wertesystems
wurden im 14. und 15. Jahrhundert Bettelei
und Armut nicht entscheidend bekämpft. Nach
1500 stieg die Zahl der Bettler enorm an. In Freiburg
organisierten sie sich gar in einer eigenen Zunft
mit Bettlerordnung und Bettelvogt.10 Die Eingliederung
des Bettlerwesens in zünftische Organisationsformen
zeigt, daß diese Gruppen nicht generell
aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren. Besitzlose
und Bettler gehörten zur gottgefügten Weltordnung
, denen man im Sinne christlicher Caritas
Hilfe zukommen ließ. Vor allem Kirchen, Klöster
und fromme Stiftungen waren mit dieser Aufgabe
betraut. Begüterte Menschen sicherten sich auf diese
Weise ihr Seelenheil. Die Empfänger der Almosen
dankten ihren Gönnern im Gebet. Die drastische
Zunahme der Armut brachte dieses idealistische
Konstrukt des Mittelalters zu Fall. Die große Not
in den Städten zwang die Administration zu eigenen
Hilfeleistungen. Seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert
regelten Bettelordnungen in den örtlichen
Polizeygesetzen die Unterstützung der Armen.11
Die Aufenthaltsdauer für fremde Bettler und mittellose
Personen wurde beschnitten, das meist berufsmäßig
betriebene Betteln auf bestimmten öffentlichen
Plätzen verboten. Ausschließlich einheimische
Arme, die krank und arbeitsunfähig waren,
sollten in den Genuß der städtischen Fürsorgeinrichtungen
gelangen. Zur Kontrolle erhielten sie
vom Armenpfleger metallene Zeichen oder Marken,
die zum Empfang der Hilfen berechtigten. Häufig
mußten Gebet und Beichte als Voraussetzung für
den Bezug kommunaler Gaben nachgewiesen werden
. Mit der Entwicklung der profanen städtischen
Fürsorgepflicht und der administrativen Reglementierung
ging die soziale Diskriminierung der Bettler
einher. Das Bettlerzeichen wurde zum Stigma.

Eine besondere Gruppe der Armen stellten die
fahrenden Schüler, auch „pauperes" oder Fossen
genannt, dar. Sie erhielten ebenfalls Marken, die
zum Kurrende- und Heischesingen in den Gassen
und Höfen berechtigten. Vom Obolus für ihre dargebrachten
Lieder und Verse bestritten sie ihren

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