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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 301
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0303
Horst Buszello - Krise, Reform und neuer Aufschwung

und Häute von Metzgern kaufen, die diese nur aufgekauft
haben, also nicht von selbstgeschlachteten
Tieren stammen (§ 21). Eine weitere Bestimmung
(§ 23) verbindet die Einschränkung des Zwischenhandels
mit der Absicht, möglichst allen Meistern
gleichen Zugang zu den Rohstoffen zu sichern: Kein
Gerber soll einem Metzger im voraus Geld für
Häute geben - was als verlegerische Praxis angesehen
wird -, „dann dadurch wurden den selben hüt
und vel für ander vervolgen und were der kouf by
uns dem armen als dem riehen nit gemein".

Dem Schutz des einheimischen Handwerks
dient die Bestimmung (§11), daß Gerberrinde nicht
nach auswärts verkauft werden darf; ebenso die
weitere Anordnung (§ 7), daß ein Freiburger Gerber
nicht für einen auswärtigen Schuhmacher gerben
soll. Schließlich setzt die Gerberordnung die
Lehrzeit auf drei Jahre „und nit minder" fest (§ 13),
schreibt feste Kaufs- und Verkaufszeiten vor (§ 1,
3, 5), verbietet die Bearbeitung bestimmter, eventuell
minderwertiger Häute (§ 9,19) und trifft Maßnahmen
zum Umweltschutz (§ 12, 15-18).

Die Gerberordnung des Jahres 1477 liegt durchaus
auf der Linie traditionellen zünftlerischen Denkens
, dessen übergeordnete Maxime die Solidarität
unter den Meistern war. Was sie jedoch auszeichnet
und von ihren Vorläufern abhebt, ist zunächst
einmal die Bündelung, Ausdifferenzierung und entschiedene
Fortentwicklung aller älteren Bestimmungen
. Das eigentlich Neue sind der Eingriff in
Betriebsgröße und -struktur sowie die Abwehr
zunftfremder Kapitalgeber - mit anderen Worten
die normative Festschreibung und Absicherung des
selbständigen, auf Arbeit gegründeten handwerklichen
Klein- und Mittelbetriebs.

Die ebenfalls aus dem Jahr 1477 stammende
Malerordnung135 macht jedoch deutlich, daß die
neuen Ideen noch kein wirtschaftspolitisches Allgemeingut
, kein vorentworfenes und für alle gültiges
Programm waren. Denn die Malerordnung beschränkt
sich darauf, die älteren solidaritäts-
sichernden Vorschriften erneut festzuschreiben; das
sind vor allem solidarisches Verhalten gegenüber
Kunden und Gesellen sowie ein freier, nicht durch
Aufkauf und Zwischenhandel beeinträchtigter Zugang
zu den Rohstoffen. Noch reagiert jede Zunft
in unterschiedlicher Weise auf die tägliche Praxis
des handwerklichen Lebens; die Maler blieben in
ihrer Ordnung dem überkommenen Regelwerk
verhaftet, die Gerber gingen darüber hinaus. Zugleich
wird sichtbar, daß die treibende Kraft bei der
Erstellung neuer Zunftordnungen nicht der Rat,
sondern die Zünfte waren. Sie wiesen auf Mißstände
und benannten die Besserungsvorschläge, während
der Rat den Ordnungen Gesetzeskraft verlieh
- nicht ohne noch korrigierend und klärend einzugreifen
.

So heißt es in der Gerberordnung: „Und als diß
Ordnung vor uns [dem Rat] verlesen, ouch umb et-
lich stuck, dero sy span hatten, entscheid geben
ward, Hessen sy uns von gemeiner zunft wegen
pitten, unsern willen dar in zü gebenn und die zü
bestäten ... doch uns und unsern nachkommen vorbehalten
, diß alles zü ändern, zü mindern, zü meren,
gar oder zum teil abzetünd, wie uns das zü yeder
zydt, unser gned. herschaft, der statt und dem
handwerck nütz und notturft bedunckt ungevar-
lich." - Aus den vorhandenen Akten der „Zunftreformation
" des Jahres 1495 wird überdies deutlich
, daß der Rat manchen Wünschen die Zustimmung
gänzlich verweigerte.136

Die Bedeutung der Gerberordnung von 1477
ergibt sich aus der kommenden Entwicklung.137
Zunehmend wurde die gewerbliche Wirtschaft der
Stadt Freiburg mit einem dichter werdenden Netz
protektionistischer und konkurrenzlimitierender
Vorschriften überzogen, und die wirtschaftspolitischen
Ordnungsvorstellungen, wie sie die Gerber
1477 erstmals vertreten hatten, fanden früher oder
später auch in andere Zunftordnungen Eingang. Ihr
gemeinsames Ziel war die Sicherung der Nahrungsund
Erwerbschancen für eine möglichst große Zahl
von Gewerbetreibenden. Ihr - durchaus traditionelles
- Ethos waren die konvergierenden Prinzipien
des „gemeinen Nutzens" und der zünftlerisch-
handwerklichen Sozialsolidarität. Die Mittel waren
verschärfte protektionistische Maßnahmen nach
außen sowie eine Konkurrenzregulierung und
-limitierung nach innen. Im Ergebnis wurde -
schrittweise seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert

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