Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 320
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0322
Dieter Mertens - Universität, Humanisten, Hof und Reichstag

präsidierenden Sigismund Kreutzer meinen. Hätte
der König in Person die Prefatio angehört, wäre er
gewiß vor dem Publikum an erster Stelle zu nennen
gewesen und hätte angeredet werden müssen
und nicht bloß erwähnt werden dürfen.

Man würde gerne als selbstverständlich voraussetzen
, daß Locher seine Krönung seiner soeben
erlangten großen Berühmtheit als lateinischer Dichter
verdankte, wenn nicht ausgerechnet die
Dreifachkrönung von 1498 gleich zweifach bewiese,
daß man auch ohne Poetenruhm zur Ehre eines
poeta laureatus gelangen kann - von Lunson und
Münzthaler kennen wir keine Zeile. Eifer für den
König und das Haus Habsburg und Fürsprache bei
Hof durften hingegen nicht fehlen. Locher brachte
sämtliche Voraussetzungen in hohem Maße mit. Er
war einer der besten lateinischen Dichter. Am 1.
März 1497 erschien, bevorwortet am 1. Februar,
Lochers lateinische Version des „Narrenschiffs"
von Sebastian Brant.15 Bei Brant in Basel hatte Locher
sein Studium 1487/88 begonnen. Auf seine lateinische
Version gehen alle volkssprachlichen Fassungen
des „Narrenschiffs" zurück, seien sie französisch
, englisch, niederländisch oder niederdeutsch
. Die Wirkung des Brantschen „Narrenschiffs
" außerhalb der oberdeutschen Sprachgrenzen
ist folglich der in Lochers Freiburger Zeit erarbeiteten
Transposition zu verdanken - es handelt
sich in der Tat um eine Transposition und nicht einfach
um eine Ubersetzung; Lochers Stultifera navis
las sich viel humanistischer als das Brantsche
„Narrenschiff". Locher erfreute sich auch der wirksamsten
Förderung. Denn ohne einen Fürsprecher
bei Hof wird niemand zum Dichter gekrönt. Locher
läßt keinen Zweifel aufkommen, wer seine
Patrone sind: Konrad Stürtzel am Hof und Sigismund
Kreutzer in Freiburg. Wenn man sich die
Beziehungen der Patrone untereinander näher anschaut
, die mit den Dichterkrönungen von 1497 und
auch von 1498 zu tun haben, stößt man auf ein
Geflecht von amtlichen und verwandtschaftlichen
Beziehungen, das nicht zufällig ist und nur den
überrascht, der nicht in Rechnung stellt, daß ältere
Gesellschaften vorrangig dank Vernetzung, Patro-
nage und Klientelbildung funktionieren.16 Stürtzel

und Kreutzer, die 1497 und mit größter Wahrscheinlichkeit
auch 1498 gemeinsam auftraten, waren
miteinander verwandt, Kreutzer war ein Neffe
Stünzels. Wenn es in den Senatsprotokollen der
Universität Freiburg 1491 heißt, dem dominus
cancellarius - das ist Konrad Stürtzel - zu Gefallen
erhalte sein nepos Sigismund Kreutzer eine besoldete
Stelle,17 dann tut man einen Blick auf ein Stück
des Netzwerks. Stürtzel, der ehemalige Freiburger
Artes- und dann Juraprofessor, blieb auch nach seinem
endgültigen Ubertritt von der Universität in
den Hofdienst der Universität weiterhin verbunden
, über ihn hatte die Universität Zugang zum Hof
und umgekehrt hatte Stürtzel Wünsche an die Universität
. Daß er seinen Neffen förderte, war familiäre
Pflicht; Kreutzer stieg in der Universität alsbald
zu besser besoldeten Stellen auf, wurde 1495
Doktor des Kirchenrechts und vor allem erlangte
er die vielen, oben schon genannten Pfründen.
Kreutzer wurde 1477 unter dem zweiten Rektorat
Friedrichs von Zollern zusammen mit Heinrich
Kolher immatrikuliert - beide kamen aus demselben
Ort Neustadt Würzburger Diözese (Neustadt
am Main oder Neustadt an der Aisch), beide kamen
gemeinsam in Freiburg an.18 Auch Kolher war
ein Neffe (nepos) Stünzels19 und dürfte wie
Kreutzer sich der Patronage Stünzels erfreut haben
- Kolher und Kreutzer werden in der Fakultätsmatrikel
der Artisten kaum zufällig als aus
Kitzingen, dem Herkunftsort Stünzels, stammend
geführt. Kolher, auf dessen Qualitäten als Geistlicherjakob
Wimpfeling ein hohes Loblied sang, erhielt
1493 die Freiburger Münsterpfarrei; er behielt
sie bis 1517, als er als Generalvikar nach Straßburg
wechselte; er war also in eben den Jahren Pfarrer,
als der Freiburger Münsterchor fertiggestellt wurde
, die Universität für ihre Mitglieder eine Chorkapelle
stiftete und nebenan Konrad Stürtzel eine
weitere nur für seine Familie allein und Hans
Baidung den Hochaltar schuf. Kolhers hervorragende
Stellung an der Universität wird nicht zuletzt
dadurch deutlich, daß er achtmal zum Rektor
gewählt wurde; als Lunson, Grünpeck und
Münzthaler 1498 gekrönt wurden, amtierte er zum
zweiten Mal.20

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