Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 325
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0327
Dieter Mertens - Universität, Humanisten, Hof und Reichstag

Fächer. Münzthaler war nicht gewillt, eine institutionell
so mangelhaft integrierte und darüber hinaus
auch wirtschaftlich ziemlich uninteressante
Poetenexistenz zu führen. Er ging den regulären
Gang der Graduierungen durch die Fakultäten,
zuerst der artistischen, dann der juristischen. Als
er 1492 auf seine Bitten hin die Humanistenlektur
auf Lebenszeit erhielt, war er bereits seit neun Jahren
als Magister tätig.35 Den Titel eines poeta
laureatus hat er anscheinend gar nicht geführt, er
hat seinen Rang über die erlangten Grade und nicht
über die Poesie oder die Poetenkrone definiert. Er
betrieb die humanistischen Lehrveranstaltungen lediglich
neben den „formalen"; spätestens 1499 vereinigte
er die Institutionenlektur in der juristischen
Fakultät mit der lectura in poesi und wollte beide
für sich reserviert wissen während einer längeren
Anwesenheit in seiner rheingauischen Heimat. 1500
wurden die beiden Lektüren wieder getrennt, und
Münzthaler wählte die juristische. Bei solchem
Ehrgeiz wundert es nicht, daß von seiner humanistischen
Tätigkeit keinerlei Früchte auf uns gekommen
sind. Auch sind seine Fürsprecher nicht auszumachen
; daß Stürtzel einer war, wird man vermuten
dürfen. Gewiß wird es während des Reichtags
, wenn die einziehenden Hoheiten nicht nur
seitens der Stadt durch Jakob Mennel, sondern auch
seitens der Universität begrüßt werden sollten,36 an
Gelegenheiten zu rühmenden lateinischen Ansprachen
oder Versen nicht gefehlt haben, bei welchen
sich der poeta zuständigkeitshalber bekannt und
verdient machen konnte. Doch es drängt sich der
Eindruck auf, daß es dem König vorrangig auf die
Ehrung seiner Höflinge Lunson und Grünpeck
ankam.

Dem Virgilius Lunson war Freiburg nicht unbekannt
; er hatte hier studiert. 1484 wurde er hier
zusammen mit Urban Lunson, wohl einem Bruder
, immatrikuliert; beide zogen dem Johannes
Lunson nach, gewiß ihrem älteren Bruder - alle drei
stammten aus Bischofszell im Thurgau -, der im
Jahr zuvor von Basel nach Freiburg gekommen
war und hier die Humanistenlektur erhalten
hatte.37 Johannes Lunson hatte Konrad Stünzel zum
Protektor, was die für ihn erfreuliche Folge hatte,

daß er nach der Preisgabe der Poeta-Stelle, wozu
ihn 1488 kirchenrechtliche Eheprobleme veranlaß-
ten - seine Frau war flüchtig und blieb unauffindbar
-, sich sogar verbessern und Pfründen erlangen
konnte, so 1492 die Kenzinger Pfarrei und 1494 eine
Sekretärsstelle in der Reichskanzlei erhielt, als Berthold
von Henneberg die Kanzlei immer mehr an
sich zog. Dort wirkte in gleicher Funktion auch sein
Bruder Virgilius; von 1494 bis 1502 sind lateinische
Konzepte von seiner Hand zu identifizieren.
Virgilius Lunson hat auch die Texte in dem
Konzeptbuch LL der Reichsregistratur geschrieben,
die seine eigene, Grünpecks und Münzthalers
Dichterkrönung betreffen.38 Lunson befand sich
allerdings zur Zeit seiner Dichterkrönung in größter
Not. Er litt an der Syphilis, hatte sein Vermögen
für Heilungsversuche ausgegeben und war bei
Kanzleikollegen und Gönnern verschuldet - bei
Sigismund Kreutzer, der ihn krönte, mit 15 Gulden
, bei anderen mit viel mehr.39

Grünpeck ist der einzige von den dreien, der im
Netzwerk der humanistischen Literaten einen Platz
hat und dessen literarische Tätigkeit zu verfolgen
ist.40 Er war Kleriker, ein Altersgenosse Lochers,
und zählte ebenfalls, doch mit merklichem Abstand
der literarischen Kompetenz und intellektuellen
Stringenz, zu den Schülern des Celtis. Er hat Celtis
in Ingolstadt kennengelernt, wo er als Magister
wirkte. Celtis mag Maximilians Augenmerk auf ihn
gelenkt haben. Seit 1496 unterrichtete Grünpeck
Patriziersöhne in Augsburg. Mit einem Progno-
sticon, das u.a. die Maximilian eine Erhöhung seines
Namens in seinem vierzigsten Lebensjahr, 1499,
voraussagte, führte er sich 1496 ein sowie mit einem
vielgelesenen Syphilistraktat in lateinischer und
deutscher Sprache, einem der ganz frühen Traktate.
Er betätigte sich als Literat, Historiker, Mediziner
und Prognostiker; Astrologie - die Deutung der
Zeichen der Zeit - galt als seine besondere Stärke.
In Augsburg soll der König die von Schülern am
26. November 1497 dargebotene Comedia
utilissima Grünpecks über das Motiv des Hercules
am Scheidewege zwischen Tugend und täuschender
Welt, das Grünpeck auf den König selber anstatt
auf Hercules bezog, beifällig angeschaut und

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