Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 326
(PDF, 95 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0328
Dieter Mertens - Universität, Humanisten, Hof und Reichstag

Grünpeck anschließend in seinen Dienst genommen
haben. Wie schon bei Lochers Türkendrama
passen allerdings wiederum Datum und Ort der
Aufführung nicht in das inzwischen gut belegte
Itinerar des Königs,41 doch dieses neuerliche Problem
der Diskrepanz zwischen aktenmäßigen und
literarischen Datierungen ist hier nicht zu erörtern.
Maximilian zog Grünpeck an den Hof, um seine
Fähigkeiten als Literat und Geschichtsschreiber in
Anspruch zu nehmen und ihn außerhalb aller
Kanzleigeschäfte, wie sie Virgilius Lunson auszuführen
hatte, für die Abfassung seines geplanten
Memoirenwerkes zu verwenden. „Grünpeck ist der
erste namentlich bekannte Literat, der Maximilian
bei dessen literarischer gedechtnus zur Hand
ging."42 Maximilian stellte sich dieses damals noch
als eine lateinische Autobiographie vor, für die er
Grünpeck Bausteine diktierte oder lieferte, wo und
wann immer er Gelegenheit fand. Grünpeck wurde
recht plötzlich in große Herrschernähe gezogen;
die Freiburger Dichterkrönung unterstrich diese
Tatsache öffentlich.

VI

Die Begegnung von Universität, Humanisten und
Reichstag in Freiburg hat ein organisierendes und
stimulierendes Zentrum: den Hof des Königs. Die
Dichterkrönungen sind, wie auch die Erhebungen
zum Doktor, Betätigungen der Majestät, sind Erweise
königlicher Huld und Ausübung königlicher
Rechte. Der König betätigte sich damit in einer
Weise, die nur ihm, nicht aber einer Versammlung
wie einem Reichstag zukam. Die Entfaltung der
Möglichkeiten des Hofes, zu denen neben traditionellen
Instrumenten wie dem Turnier gerade unter
Maximilian auch die planmäßige Inanspruchnahme
der Künste hinzutrat, um Majestät zu demonstrieren
und zu inszenieren, hat in der Auseinandersetzung
zwischen Hof und Reichstag, bei der
Ausbildung und Verfestigung des Dualismus, der
zwei Pole des politischen Handelns, durchaus eine

politische Funktion.43 Gleichzeitig hat der Monarch
aber auch mit anderen Monarchen zu konkurrieren
und zudem mit den Fürstenhöfen im Reich.
Die politische Aufgabe der Humanisten als Dichter
und Redner sollte nach den Vorstellungen Maximilians
und seines Hofes eine spezifische, ihrer
Profession angemessene sein; sie sollten eingesetzt
werden als loyale Fachleute des Wortes. Um die
Möglichkeiten des Buchdrucks, des neuen Mediums
, zu nutzen, brauchte es das Zusammenwirken
der Druckereien mit den Fachleuten verbaler und
bildlicher Vermittlung, der Hardware- und der
Softwareingenieure, wie neuerdings gesagt wurde.44
Die loyale Beeinflussung der aus den stark vermehrten
Universitäten und Lateinschulen erwachsenden
Funktionseliten der Experten war eine wichtige
Aufgabe. In welchem Maße sie wirksam sein konnte
, ist schwer zu ermessen. Die enorme Präsenz des
maximilianeischen Zeitalters und gerade auch des
Kaisers selbst in Wort und Bild bis heute - vielmehr
als zum Beispiel in der Architektur - ist sicher
ein Ergebnis dieser Anstrengungen. In der
mutmaßlichen Uberschätzung des Einflusses auf
das Handeln der Zeitgenossen waren sich der Mäzen
und seine Humanisten aber durchaus einig. Die
für Grünpeck und Münzthaler gleichlautend ausgestellten
Urkunden berufen nicht nur die neuplatonische
Auffassung vom göttlichen Ursprung
der Dichtung, sondern ebenfalls die antike Vorstellung
von der gesellschaftlichen Funktion und dem
unmittelbaren politisch-herrschaftlichen Nutzen
der Rhetorik. „Sie [die Redekunst] erhält den gesellschaftlichen
Zusammenschluß der Menschen,
lockt die Gesinnungen, treibt die Bereitwilligkeit
an, lenkt weg, von wo sie will, wendet mit einer
einzigen bewegenden Rede die Aufstände des gemeinen
Volkes, die Bedenken der Bürger und die
Klugheit der Ratsherren, ja sie bringt den Flehenden
Hilfe, errmuntert die Bedrängten, hält die Menschen
in den Gemeinwesen ruhig, ehrfürchtig und
friedlich."45 Jakob Locher betonte sogar den militärischen
Nutzen der Dichter, die die Soldaten in
der Schlacht anfeuerten und ihre Kampfmoral
stärkten.46 Die Dichterkrönungen Maximilians

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