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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 341
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0343
Tom Scott - Freiburg und der Bundschuh

Mühlen seine konnte. Die „Krise des Feudalismus",
die Peter Blickle als bestimmenden Faktor für den
Ausbruch des Bauernkriegs beansprucht, spiegelte
sich im Dorf geradezu beispielhaft wieder. Die
Hoheitsrechte waren unter zwei adlige Familien
aufgeteilt, deren Besitzungen und Gerechtigkeiten
zudem häufig wechselten. Die grundherrlichen
Rechte im Jahre 1513 lagen beim Geschlecht derer
von Ankenreut, die Gerichtsherrschaft besaß dagegen
der hoch verschuldete Balthasar von Blumeneck
, der auf dem Wasserschloß im Dorf residierte
. Es saßen jedoch in Lehen auch Leibeigene auswärtiger
Herren. Zu diesen zählte Kilian Meiger,
der 1511 über die Willkür und Gewalttaten seines
Leibherrn Gabriel von Bollschweil, aus dem Alt-
freiburger Patriziergeschlecht der Snewlin stammend
, in einem ausführlichen Rechtsprozeß als
Zeuge ausgesagt hatte.37 Dabei ging es um
Bollschweils Bestrebungen, unter Drohungen freie
Leute in seine Leibherrschaft zu zwingen. Bezeichnenderweise
fand Bollschweil, der im Ausbürgerrecht
der Stadt saß, Unterstützung beim Freiburger
Rat.3S In Lehen wurde Meiger nachher als
erster von Joß Fritz für seine Bundschuhverschwörung
gewonnen und diente ihm daraufhin als
rechte Hand.

Der Konflikt mit Gabriel von Bollschweil liefert
den Beweis dafür, daß in Lehen der Zündstoff
für eine bäuerliche Erhebung bereitlag. Wertvoll ist
dieser Rechtsprozeß auch deswegen, weil der
Lehener Bundschuh, seinem Charakter als Verschwörung
gemäß, keine Beschwerdeartikel niedergeschrieben
oder schriftlich verbreitet hat. Die Ursachen
und Ziele der Bewegung sind erst nachträglich
aus den Verhören von gefangengenommenen
Teilnehmern zu erschließen. Ihre Aussagen stimmen
weitgehend mit den Klagen überein, die uns
1493 und 1502 begegnet sind: Beschwerden gegen
Einschränkung der Allmendrechte, gegen wucherische
Zinspraktiken und daher ebenso gegen die
Zuständigkeit der geistlichen Gerichte in Schuldsachen
. Auch kehrt die Forderung wieder, den
Unterhalt von Klerus und von Klosterinsassen auf
ein Minimum zu reduzieren und die Pfründenhäufung
zu verbieten. Doch beim Lehener Bundschuh
trat ein weiteres Ziel hinzu, das so aus dem
Rahmen fällt, daß es wohl auf Joß Fritz allein zurückgeht
. Die Verschworenen wollten nämlich keinen
Herrn außer dem Papst, dem Kaiser und vorab
Gott haben. Die revolutionäre Forderung nach
Aufhebung aller feudalen Zwischeninstanzen hätte
natürlich der Leibeigenschaft ein Ende gesetzt.
Doch die Beibehaltung der feudalen Häupter von
Kirche und Staat beweist zugleich, daß Joß Fritz in
seinen Gedanken den Reformatoren nicht vorauseilte
; seine Vorstellung von einer Bauernrepublik
ist auch nur begrenzt mit der Schweizer Eidgenossenschaft
gleichzusetzen. Die ältere Auffassung,
Fritz habe sogar ein ausgesprochenes Reichsbewußtsein
gehegt, kann nicht mehr aufrechterhalten
werden.39

Im Frühjahr 1513 begann Fritz, in seiner unmittelbaren
Umgebung heimlich für den Bundschuh
zu werben. Bei einer Versammlung auf der
Hartmatte westlich des Dorfes wurden die ersten
Anhänger eingeschworen.40 Uber die Verbreitung
der Verschwörung in den Monaten danach geben
die Quellen allerdings keine zuverlässige Auskunft.
Bei seinem Verhör hat Marx Stüdlin aus Munzingen
behauptet, die Aufwiegelung hätte manche Bauern
am Kaiserstuhl, in der Mark Buchheim und sogar
im Glottertal für den Aufstand gewonnen.41 Doch
derselbe Stüdlin hat anderweitig die Hälfte der Freiburger
Zünftigen als Teilnehmer reklamiert! - eine
unwahrscheinliche Feststellung, die der Freiburger
Rat energisch zurückwies.42 Eher ist anzunehmen,
daß Joß Fritz im Lichte seiner Erfahrungen im
Hochstift Speyer recht behutsam ans Werk ging.
Die sorgfältige Vorbereitung sollte erst auf der
Kirchweihe zu Biengen am 9. Oktober, gut sechs
Monate nach der ersten Tuchfühlung in Lehen,
durch die Entfaltung der Bundschuhfahne in einen
öffentlichen Aufstand münden. Bei seiner Aufwiegelung
ließ Fritz die religiöse Verbrämung des
Bundschuhs, die auf die Lage im Hochstift Speyer
zugeschnitten war, jetzt in den Hintergrund treten.
Die vorwiegend weltlichen Herrschaftsverhältnisse
im Breisgau legten es nahe, nach einer allgemeineren
Losung zu suchen. So hieß die Antwort anstatt
„Wir mögen vor den Pfaffen nicht genesen" nur

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