Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 422
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0424
Detlef Zinke - Die Randzeichnungen Baldungs

sen Ehrgeiz angestachelt, es dem Älteren auf nahezu
allen Feldern gleichzutun. Baidung wurde so
nicht nur mit dem Gestaltrepertoire und dem
Motivfundus des Nürnberger Meisters vertraut,
sondern auch in die Techniken des Holzschnitts und
des Kupferstichs eingewiesen sowie mit vielfältigen
Entwürfen für Glasmalerei beauftragt. Während
des Meisters zweiter Italienreise hatte
„Grienhans" sogar die Leitung der Werkstatt inne.
Die beeindruckende Breite des Baldungschen Schaffens
der Freiburger Jahre, jene staunenswerte Produktivität
und Effizienz des eigenen Atelierbetriebs
basieren auf den bei Dürer gemachten Erfahrungen
.2 Beide Männer blieben sich zeitlebens in
Freundschaft verbunden (nicht ohne Beimischung
milden Spotts übrigens auf Seiten des Jungen, der
sich in unverhohlener Opposition zuweilen auf
„klassische" Vorbilder Dürers bezog).

Die Quellen verschweigen, wie und wann die
Freiburger Ratsherren und Münsterpfleger auf den
Maler aufmerksam wurden, der 1510 die Meisterwürde
in Straßburg erwarb, am Oberrhein freilich
noch nicht allzu viel vorweisen konnte. Daß auch
verwandtschaftliche Beziehungen ihre Rolle spielten
, wird man annehmen dürfen. Mehrere Familienmitglieder
hatten an der vorderösterreichischen
Alma Mater studiert, der Bruder Caspar ab 1510
eine Professur für Poetik inne. Eine der Bedingungen
des Kontrakts für das riesige Flügelretabel
lautete wohl, daß der frisch verehelichte Baidung
seinen Hausstand in Freiburg einrichten sollte, den
er somit bis zur Rückkehr nach Straßburg 1517 beibehielt
. Die ihm übertragene Aufgabe war ungewöhnlich
und setzte erhebliches Vertrauen in die
künstlerische und organisatorische Leistungskraft
des jungen Mannes von kaum 28 Jahren voraus. Damals
pflegte man die Hauptansicht des Chorretabels
, die kultische Mitte, mit plastischen Bildwerken
zu besetzen und den Schrein durch ein
figurenbestandenes Gesprenge zu überhöhen. Noch
Mathias Grünewald, im nahen Isenheim zur selben
Zeit mit einem ähnlich enormen Auftrag bedacht,
hatte mit solchen Vorgaben zu rechnen. Dazu kontrastiert
nun auffällig das Privileg Baldungs, der als
Tafelmaler die eigenen Kräfte weithin ungestört einsetzen
durfte. Rund ein Dutzend Bilder umfaßt das
Programm, das die Krönung Mariens als Patronin
des Münsters in den Mittelpunkt stellt. „Von Gott
und eigener Tüchtigkeit gefördert", wie Baidung
selbst auf Lateinisch hinzufügt, brachte er die Arbeit
1516 zum Abschluß, im stolzen Bewußtsein,
längst auch den größten Herausforderungen sich
gewachsen zu zeigen. Sein kühl anmutendes Bildnis
, versteckt in der Golgathaszene der Rückwand,
sagt es, könnte man meinen, noch einmal (Abb. 1).

Bei aller Sorgfalt ist Gehilfenwerk in der Ausführung
da und dort sichtbar. Rationelles Vorgehen
war ja durchaus gefordert und erleichterte dem
rastlosen Meister, weitere Projekte in Angriff zu
nehmen. Von den überragenden Fähigkeiten Baldungs
, repräsentative Kirchenfenster zu „visieren",
wird man in Freiburg gewußt und dies bei der Auftragsvergabe
vorab schon berücksichtigt haben,
warteten doch allein elf Stifterkapellen mit mehr-
bahnigen Bildfenstern auf ihre Vollendung. Für beachtliche
vier, dazu für die Annenkapelle schuf
Baidung meist noch am Ort die Entwürfe, die im
Atelier des Glasmalers Hans Gitschmann „von
Ropstein" kongenial umgesetzt wurden. Zu gleicher
Zeit nahmen Freiburgs Kartäuser seine Dienste
in Anspruch, als es galt, für das Kloster ein
Fensterprogramm zu gestalten; nicht weniger als
vierzehn Kompositionen sind auch hier mit dem
Namen Baldungs verknüpft.

Fast fieberhaft kommt uns wahrhaftig der Schaffensdrang
vor, der den Maler im Breisgau erfaßte,
denn kleinere Altäre und Andachtstafeln für private
Besteller, zudem Bildnisse fürstlicher Herren
erweiterten das ohnehin schon gewaltige Pensum.
Und nebenbei fand Baidung noch Zeit, intensiv für
den Holzschnitt zu zeichnen, gerade so wie ein
Dürer in Nürnberg, der mit seinen Blättern ganz
Europa versorgte. Rascher als andere Medien
erlaubte zunächst ja die selbstverantwortete Graphik
, eigene Wege zu gehen und persönliche Vorlieben
, Obsessionen vielleicht gar zur Geltung zu
bringen. Frei von den Zwängen des Auftrags fand
hier Baidung zu einer teils irritierend neuartigen
Bildwelt. Hexen in provozierender Nacktheit, die
Versuchung des Fleisches, Dämonie und Phantastik

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