Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 426
(PDF, 95 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0428
Detlef Zinke - Die Randzeichnungen Baldungs

nahmen ihn schon früh und auf Dauer gefangen.
Wie kein zweiter sollte dieser Intellektuelle von
Herkunft auch ins menschliche Triebleben, ins
Nächtliche und Geheime Einblick gewinnen. Als
Psychologe war der Jüngere seinem „Lehrer" allemal
überlegen.

Diesen Hans Baidung, selbstsicher, bisweilen exzentrisch
, unerhört produktiv und schon fast überlastet
, erreichte 1515 etwa zur Jahresmitte eine Order
des Kaisers, der ein soeben gedrucktes Gebetoder
Stundenbuch mit farbigen Randzeichnungen
geschmückt wissen wollte. Vielleicht war man sich
in Straßburg bereits persönlich begegnet - eine 1511
datierbare Porträtstudie Maximilians spräche dafür3
-, zum Kreis der vom Kaiser bevorzugten Meister
hat Baidung Grien freilich niemals gehört. Innsbruck
und Nürnberg, besonders aber Augsburg
standen in mancherlei Hinsicht dem Herrscher
doch näher. Dürer könnte den ehemaligen Mitarbeiter
ins Gespräch gebracht haben, Dürer, dem
der Hauptanteil der Illustrationen zum Gebetbuch
anvertraut war. Seinetwegen hat das Werk Berühmtheit
erlangt, sein Zeichengenie ist es, dem bis heute
die nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit der Wissenschaft
gilt. Es scheint deshalb an der Zeit, auch Baldungs
Beitrag einmal einer speziellen Betrachtung
zu unterziehen, der neben den Großaufgaben der
Freiburger Periode meist buchstäblich als bloßes
„Randphänomen" vernachlässigt wurde.

II

In Maximilians Konzept der „Gedächtnis"pflege,
getragen von der brennenden Sorge um den eigenen
Nachruhm und um den seines Hauses, steht
das Gebetbuch in der bestehenden Form sozusagen
abseits. Fast drei Jahrhunderte lang war ja
immerhin verborgen geblieben, daß der Druckauftrag
auf den Kaiser zurückgeht und der fragliche
Band für ihn selber bestimmt war. Die Gemeinsamkeit
mit den übrigen künstlerisch-literarischen
Unternehmungen,4 von denen sich Maximilian ein

Fortleben im Gedächtnis der Menschen versprach,
beschränkt sich deshalb bei vordergründiger Betrachtung
auf zwei durchaus äußerliche Aspekte:
Wie in anderen Fällen hat Maximilian die Vorzüge
der Reproduktionstechnik genutzt, der er sich zur
Selbstdarstellung und Identitätssicherung bediente
wie tatsächlich niemand zuvor. Und wie die meisten
Projekte konnte auch dieses zu Lebzeiten des
Kaisers nicht mehr zum Abschluß gebracht werden
; sei es der chronischen Geldnöte wegen, sei es,
weil die Uberfülle der Vorhaben Prioritäten erzwang
, falls nicht gar konzeptionelle Unstimmigkeiten
den Fortgang behinderten.

Erste Vorkehrungen für ein lateinisches Gebetbuch5
hatte Maximilian bereits bis spätestens 1508
getroffen, eben dem Jahr, da er seinen Anspruch auf
den Kaisertitel endlich durchsetzen sollte. Der Plan
stand im Zeichen der altüberlieferten Kreuzzugsidee
, die nach dem Fall Konstantinopels 1453 noch
einmal heftig die Gemüter bewegte. Als Römischer
Imperator und Beschirmer der Kirche („haubt der
cristennhait" wird er deshalb genannt) würde Maximilian
sich an die Spitze des Heerzugs stellen,
unter dem Banner des hl. Georg die eroberten Länder
den Türken entreißen: Dieser Traum, durch die
mystische Selbstidentifikation mit dem Schutzheiligen
aller Kreuzfahrer stets gegenwärtig, hat ihn
dann wirklich bis ans Ende begleitet. Schon sein
Vater, Friedrich III., sah sich durch die Türkengefahr
an der Südostflanke des Reichs zu militärischen
Maßnahmen veranlaßt. Nach dem Vorbild der
Deutschordensritterschaft rief er darum 1468 einen
geistlichen St. Georgs-Ritterorden ins Leben, der
freilich nur geringen Widerhall fand, die hohen Erwartungen
nicht zu erfüllen vermochte. Maximilian
gab ihm 1493 frische Impulse und bereitete ihn
auf die Kreuzzugsmission vor. Mit der Gründung
einer rein weltlichen Georgs-Bruderschaft, offen für
alle Stände, Männer wie Frauen, hoffte er zugleich
dem ehrgeizigen Kriegsunternehmen dringend
benötigte Finanzmittel zuführen zu können. Ausgewählten
Mitgliedern dieser beiden eng verbundenen
Gemeinschaften, um deren Glaubensinbrunst
und Opferwillen der Kaiser sich sorgte, war das Andachtsbuch
vermutlich gewidmet. Wohl deshalb

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