Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 429
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Detlef Zinke - Die Randzeichnungen Baldungs

auch sollte es in zwei unterschiedlichen Druckausgaben
aufgelegt werden: einer eher bescheidenen im
Quartformat auf Papier, „ordinarij" geheißen (und
hier nicht weiter belangvoll), und einer Luxusversion
in Folio auf Pergament, die man als „extraordi-
narij" umschrieb.

So spezifisch der Auftrag, so einzigartig nun
auch die Anlage des Werks, das treffender ein Stundenbuch
genannt werden müßte, es entspräche denn
der geläufigen Ordnung: Von Maximilian ausgesuchte
Privatgebete und Psalmen gehen dem Ma-
rienoffizium mit seinen tageszeitlich gestaffelten
Hören voran; Texte für besondere Festtage des Kirchenjahrs
leiten dann über zum „Zusatz"Offizium
vom Heiligen Kreuz, das als zweiter Hauptteil an
die Stelle des sonst obligaten Totenoffiziums gerückt
ist. Daß Gottes Schutz und Segen mehrfach
explizit für Kämpfende oder Todgeweihte herbeigefleht
wird, macht die „militärische" Zweckbestimmung
des Buchs hinreichend deutlich.

Für die Herstellung der Folianten stand Hans
Schönsperger in Augsburg bereit, der noch im
Kaiserjahr 1508 zum Hofdrucker auf Lebenszeit ernannt
worden war und gelobte, seine Vorgehensweise
strengstens geheimzuhalten, damit die Exklusivität
der kaiserlichen Publikationen nur ja auch
gewahrt bliebe. Nach mehrjährigem Vorlauf kam
er 1513 schließlich zum Einsatz. Jetzt drängte Maximilian
ganz energisch zur Eile, obschon am neuen
Festkalender weiterhin gearbeitet wurde und ohne
diese Grundlage das Stundenbuch so recht nicht
benutzt werden konnte. Uber die Auswahl der
habsburgischen Familien„heiligen" waren Hofgelehrte
und Kirchenmänner nämlich fortwährend
uneins, und als 1519 das römische Plazet zu guter
Letzt eintraf, hat es den Kaiser nicht mehr erreicht.
Gleichwohl wurden im August 1513 bereits zehn
Bücher in Auftrag gegeben und laut Druckvermerk
am 30. Dezember des Jahres („MDXIIII III
Kalendas Januarij" damaliger Zeitrechnung) unter
einigen Mühen vollendet. Das so beschaffene Werk,
einspaltig in vierzehn Zeilen gesetzt, umfaßt 313
bedruckte Seiten oder 157 (160) Blätter von beachtlicher
Größe (28 x 19,5 cm); aus gehefteten Lagen

zu drei Bögen oder sechs Blättern, „Ternionen"
genannt, baut es sich größtenteils auf.

Mag das kapitale Blattmaß für sich schon gehöriges
Aufsehen erregen, weil es Gebetbüchern
gemeinhin nicht zukommt, vollends unvergleichlich
ist der ästhetische Anspruch, den der kaiserliche
Besteller von Beginn an entschieden verfolgte.
Denn Schönsperger und dem aus Antwerpen verpflichteten
Formschneider Jost de Negker war hier
erstmals zur Auflage gemacht, mit einer eigens geschaffenen
Frakturtype die geschmeidige, elegante
Kalligraphie der höfischen Kanzleischrift täuschend
echt nachzuahmen. Mithilfe beliebig versetzbarer
Zierschnörkel, die für diesen Zweck speziell zu
entwickeln waren, durch den Einsatz diverser Letternvarianten
und anderer typographischer Raffinessen
sollte das Vorhaben gelingen. Daß Uberschriften
, Initialen und Gebetsanweisungen mit
roter Farbe separat eingedruckt wurden, zeugt vom
identischen Ehrgeiz, dem Erscheinungsbild eines
handgeschriebenen Codex möglichst nahezukommen
. Schließlich leistet noch ein rotes, manuell
aufgetragenes Zeilengerüst der Illusion wie gewünscht
Vorschub, als habe ein fiktiver Schreiber
solcher Richtlinien wahrhaftig bedurft.

Acht der Folianten sind bis heute erhalten,6 ein
Unikat jeder einzelne davon, da doch Textvarianten
und selbst künstliche „Schreib"fehler ein Werk erkennbar
vom anderen sondern. So war es beabsichtigt
, auf breiter Front aber nur anfänglich durchgeführt
worden, weil fürs ganze Konvolut die eingeräumte
Frist anscheinend nicht reichte. Mal mehr,
mal minder fällt dazu noch ein Gutteil der zweizeiligen
Zierinitialen aus, woraus wohl erhellt, daß die
Offizin über eine genügende Anzahl entsprechender
Drucktypen bis zuletzt nicht verfügte. An
Kalendar und Titelei(?) war bis auf weiteres ohnehin
nicht zu denken. Von großer, schier unbegreiflicher
Hast erzählt am Ende dann auch, daß man
einmal beim Zusammenfügen eine Lage versehentlich
wegließ, eine andere statt dessen gleich zweifach
vergab. Nur durch „Probedrucke", heißt es zuweilen
, ließen sich derart gravierende Mängel
begründen, die dann eine ergänzte und berichtigte

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