Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 436
(PDF, 95 MB)
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Detlef Zinke -

Die Randzeichnungen Baldungs

IV

Inwieweit die übrigen Illustratoren in dieses allego-
risierende, esoterische Denken Einblick gewannen,
welche Richtlinien allgemeiner Natur sie empfingen
, ist kaum zu ergründen. Es fällt nun allerdings
auf, daß lediglich zwei von ihnen sich etwa an die
optische Vorgabe hielten, nur diejenigen Seiten
auszuschmücken, bei denen eine zweizeilige Zierinitiale
den Textbeginn auf angemessene Weise
hervorhebt. Breu und Altdorfer machen davon,
zumindest weitgehend, korrekten Gebrauch. Ganz
anders Baidung. Ob er dessen ungeachtet Dürers
mustergültiges Zeichnungskonvolut oder Teile daraus
zu Gesicht bekam? Man möchte es gern glauben
, eine Gewißheit haben wir nicht. Die Formgebung
allein, soviel vorweg, könnte berechtigte
Zweifel aufkommen lassen.

Niemand weiß, in welchem Stadium und durch
wessen Vermittlung die Order an den Maler erging.
Vielleicht ist des Kaisers Rat Jakob Mennel in Freiburg
jener gesuchte Kontaktmann, Mennel gen.
Manlius, der seinem Herrn mit recht phantastischen
Ahnenforschungen diente und hierbei auch die
habsburgischen Heiligen fürs Kalendar des Gebetbuchs
auflisten sollte.13 Ein allzu fragmentarisch,
ohne Anrede und Datum überlieferter Brief Konrad
Peutingers hat ein solches Verständnis gefunden
, da er zweifellos vom Gebetbuch und vom Versand
wie es scheint dreier(!) Ternionen handelt; -
der Augsburger Stadtschreiber, ein enger Vertrauter
Maximilians, war ja mit koordinierenden Maßnahmen
und der Zuteilung der Lagen befaßt. Bezeugen
soll Peutinger zudem, der namentlich gar nicht
erwähnte Baidung sei schon als Dritter, in Kenntnis
des Dürerschen und wohl auch des Cranach-
schen Teils, tätig geworden.14 In Wahrheit läßt sich
aber doch nicht einmal sagen, ob denn unser Maler
überhaupt „jungfräuliche" Lagen erhielt. Tatsächlich
ist er in allen drei Ternionen neben den bereits
genannten Zeichnern - Burgkmair, Breu, dem
Altdorferschen Anonymus - auf gerade mal acht
(von insgesamt 36) Seiten eher sporadisch vertreten,
wobei er übrigens niemals den äußeren, zuunterst

befindlichen Bogen und damit das erste Blatt in Bearbeitung
nahm.15 Standen ihm alle neun Bögen zur
freien Verfügung, müßte er sein Werk demnach
gleich dreifach in kaum halbfertigem Zustand beiseite
gelegt haben. Was hat seine Auswahl, was seine
„Unlust" bestimmt? Auch diese Untersuchung
wird das Geheimnis nicht lüften.

V

Sicherlich macht gerade die demonstrative Zurschaustellung
verschiedenartigster künstlerischer
Handschriften nicht zum geringsten den Charme
des Gebetbuchs für uns Heutige aus. Daß sämtliche
Meister auf Erkennbarkeit, Unverwechselbarkeit
ihrer Sprachmittel Wert legten, ist nur zu deutlich
. Dies lag möglicherweise sogar in der Absicht
des Auftraggebers16 und beseelte offenkundig auch
Baidung, der eben davor stand, sich einen bedeutenden
Namen zu machen. Dürer war längst nicht
mehr (nur) das leuchtende Vorbild, sondern auch
der Konkurrent, dem der Jüngere seine Modernität
und sein so ganz anderes Temperament entgegenzusetzen
hatte. Wie sonst, wenn nicht als Ausdruck
der Persönlichkeit, ist zu verstehen, daß allein
Baidung (mit einer Ausnahme bei Burgkmair)
sein Werk mit Signaturen versah?

Mit dem wunderbar schwerelosen Dürerschen
Ziersystem, das nordisch-spätgotische und italienische
Renaissance-Elemente subtil miteinander
verschmilzt, bricht er vollkommen. Füllmotive,
dekorativer Reichtum, die Ranken, Grotesken und
Arabesken, mit denen der Ältere (nach anfänglichem
Zögern) die Leerstellen überzog und den
„floriden" Schriftcharakter in seine zeichnerische
Manier anverwandelnd übertrug, all das ist ihm
fremd. Dem Flächenzwang entflieht er, wo er kann,
der Schriftseite schenkt er keine formale Beachtung
oder nur insoweit, als sie eben ungleich breite Reststreifen
ausscheidet, die autonome, d.h. bildmäßig
gedachte Kompositionen nicht wirklich zulassen.
Buchstäblich an den Rand gedrängt, erweckt der
Zeichner den Eindruck, daß er nur zu gern auch

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