Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 437
(PDF, 95 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0439
ins Zentrum vorgedrungen wäre und daß die verbliebenen
Formgelegenheiten seinem Gestaltungsdrang
kaum zu genügen vermögen. Kopf- und
Bundsteg, die schmälsten, hat er durchweg verschmäht
, auf vier Seiten sogar nur das untere Bildfeld
genutzt. Das überrascht, machen doch die von
ihm selbst entworfenen Titeleinfassungen hinreichend
deutlich, daß sich der Buch„dekorateur"
Baidung stets wie gewünscht und meist virtuos den
spezifischen Gegebenheiten anzupassen wußte.
Derart fand der Zeichner, subjektiv betrachtet,
denkbar ungünstige Voraussetzungen vor, und es
trägt durchaus zum Reiz der Resultate bei, wie er
sein sozusagen selbsterzeugtes Problem bewältigte
.17

Auch in seinen graphischen Mitteln sucht Baidung
das Besondere, weicht ab vom Gewohnten.
Seltsam unfest wirken die Körper, wie mit einem
diffusen Licht übergössen, so daß selbst die Schattenzonen
wie aufgehellt erscheinen. Dennoch ist
dem Illustrator durchaus am Eindruck gestalthafter
Rundung gelegen, sofern dichte, parallel gesetzte
Strichlagen, unter weitreichendem Verzicht auf
Kreuzschraffuren, körperliches Volumen anzugeben
imstande sind. Um Detailgenauigkeit ist es Baidung
nirgends zu tun, um stofflichen Illusionismus
nur selten. „Unfertig", ohne allerdings skizzenhaft
zu sein, wirkt seine Gestaltung, dabei absolut sicher
im Gebrauch der Feder, die kaum einmal korrigierend
angesetzt werden muß. Eine solche
Zeichentechnik, ohne Vorbild und an dieser speziellen
Aufgabe offensichtlich erprobt, steht auch
im Werk des Meisters nahezu völlig vereinzelt.18

Zur Motivwahl zuletzt. Auch hier verläßt
Baidung verschiedentlich ausgetretene Pfade, und
nichts spricht dafür, daß er programmatischen Weisungen
zu folgen hatte. Frei in seinen Entscheidungen
war er ohne Zweifel, frei, soweit es das jeweilige
Thema anbetraf. Von der Bindung an den Text,
dessen kanonische Bestandteile ihm sicher vertraut
waren,19 wird aber auch er sich nicht emanzipiert
haben können. Versuchen wir deshalb, seinem
Gedankenflug eine nachträgliche Rechtfertigung zu
unterlegen, ohne doch allzu tiefsinnige Spekulationen
zu bemühen. Das wird nicht immer gelingen.20

Hans Baidung Griens Randzeichnungen zum Gebetbuch
Kaiser Maximilians sind gleichbleibend in
gelbgrüner Tinte ausgeführt (auf den ersten drei
Seiten, fol. 60r bis 61 r, sowie auf fol. 73v durch Nässe
z.T. erheblich geschädigt). In der Reihenfolge der
Blätter ergibt sich folgendes Bild.

1. Kämpfende Pferde

Lage 11, fol. 60r, Fuß- und Seitensteg (Abb. 2)

Drei Pferde, vermutlich Hengste, von denen einer
bereits am Boden liegt, haben sich in heftigem
Kampf ineinander verbissen. Ein geflügelter Putto
obenauf, einen Wasserbottich in Händen, versucht
die Streitenden abzukühlen. Darüber ein viertes,
bildeinwärts davonsprengendes Pferd, das den Kopf
wie in Panik zurückgewandt hat. Man ist geneigt,
darin eine Stute zu erblicken. Auf ihrem Rücken,
anscheinend ängstlich um Halt bemüht, hockt ein
nacktes Knäblein mit brennender Fackel. Der zugehörige
Text setzt den auf fol. 59r (ohne figürlichen
Schmuck) beginnenden „Gesang der drei
Jünglinge im Feuerofen" fort, der zum festen Bestand
der auf fol. 55v einsetzenden Höre „ad laudes"
(Morgenlob) des Marienoffiziums zählt: Nachdem
sich die Gefährten Daniels im babylonischen Exil
geweigert haben, ein Götzenbild anzubeten, werden
sie durch König Nebukadnezar der Feuermarter
ausgesetzt. Standhaft verteidigen sie ihren
Glauben, indem sie alles Geschaffene, das gesamte
Universum, unablässig zum Lobpreis Gottes auffordern
(„Benedicite domino ..."), um schließlich,
von einem Engel beschützt, unverletzt aus der Prüfung
hervorzugehen (Dan. 3, hier: 57-88).

Man beachte zunächst, daß der Illustrator darauf
verzichtet, sich den äußerlichen Vorgang: die
wundersame Errettung der Jünglinge im Feuerofen
auszumalen. Auch hat er es unterlassen, nach einer
der möglichen ikonographischen Entsprechungen
Ausschau zu halten, wobei sich insbesondere die
Auferstehung des Fleisches, aber auch die Szene mit
Daniel in der Löwengrube oder das Opfer Abrahams
angeboten hätten.21 An solch althergebrachter
Thematik ist Baidung offenkundig nicht inter-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0439