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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 439
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0441
Detlef Zinke - Die Randzeichnungen Baldungs

in den Lobpreis Gottes einbeziehen, so wie „Kälte
und Hitze", „Eis und Schnee" oder „Blitze und
Wolken" und all die anderen Naturgewalten, denen
die todgeweihte menschliche Existenz unentrinnbar
ausgesetzt ist? Womöglich bedürfen wir des
Wortlauts gar nicht, um einen Anknüpfungspunkt
zu finden, und sollten dem Künstler wohl zugestehen
, daß er die schier endlosen Benediktionen der
Jünglinge im Feuerofen nach seinem Verständnis,
und d.h. auch: nach Maßgabe seiner Ängste und
Obsessionen weiterspinnt.25 Und wem dennoch der
Wortbezug unverzichtbar erscheint, der überzeuge
sich, daß natürlich ebenso Feuer und Wasser als
gegensätzliche Elemente den Lobpreis des Herrn
rechtfertigen, nicht weniger als die umseitig aufgerufenen
„omnes bestie", an denen sich, wer weiß,
vielleicht sogar der Gedankenblitz Baldungs entzündet
hat.

Gut vorstellbar aber auch, daß der Zeichner nebenbei
eine weitere, ganz anders geartete Bibelstelle
(Jer. 5, 7) zu Rate zog, die ihm ohne Umweg die
Richtung wies. Einen Text noch dazu, der ihn tatsächlich
hätte ermächtigen können, genau dieses
Sinnbild triebhaften, animalischen Begehrens dem
Glaubensbeispiel der drei unerschütterlichen Gefährten
Daniels als Warnung entgegenzusetzen:
Schwere Schuld nämlich haben Israels Söhne auf
sich geladen, weil sie bei anderen (den babylonischen
?) Göttern schwören, spricht der rachedürstende
Herr durch den Mund des Propheten
Jeremias; sie brechen die Ehe und verkehren mit
Huren, ja „liebestolle Hengste (equi amatores) sind
sie, und jeder wiehert nach dem Weibe seines Nächsten
", heißt es zuletzt auf anschaulich-drastische
Weise. Nur der Gottesfürchtige (die Drei im Feuerofen
!) weiß dem zufolge auch die tierische Begierde
zu zügeln, wer beides verfehlt, macht sich seinen
Schöpfer zum Feind.26 Ist es das also, was uns
die im Gebetskontext zunächst so befremdliche
Darstellung als ein veritables Schreckbild vor Augen
führen will? Vielleicht ist ja von der als Textbeigabe
kaum minder rätselhaften Folgeszene eine
Bestätigung zu erhalten.

Bleibt nachzutragen, daß der Kampf der Wildpferde
als Baldungs ureigenste Erfindung gilt, die

weder in der Bildtradition noch literarisch ein
spezifisches Vorbild findet. Es schmälert diesen Anspruch
nicht, daß kurz zuvor Leonardo da Vinci
mit seiner Reiterschlacht von Anghiari im Florentiner
Rathaus (1506) erstmals auch der animalischen
Aggressionslust des Tieres realitätsnah-packende
Gestalt verliehen hatte.27

2. Joseph und Potiphars Weib
Lage 11, fol. 60v, Fußsteg (Abb. 3)

Die Frau des Eunuchen Potiphar, Kämmerer des
ägyptischen Pharao, sucht vergeblich, den jugendlich
-schönen Joseph zur Unkeuschheit zu verführen
(Gen. 39, 7-16). Die im Bett aufgerichtete Nackte
hat einen Mantelzipfel des Widerstrebenden ergriffen
, der sich bereits zur Flucht gewandt hat (der
falschen Anschuldigung aber nicht entgehen wird).
Der zugehörige Text setzt den „Gesang der Jünglinge
im Feuerofen" ein weiteres Mal fort: In den
Lobpreis einstimmen sollen unter anderem nun
„spiritus et anime iustorum - ihr Geister und Seelen
der Gerechten", gefolgt von den „sancti et
humiles corde - die ihr heilig und demütig im Herzen
seid".

Schenken wir der einzigen bislang vorliegenden
Inhaltsanalyse Vertrauen, dann ist das Bild als
„leicht zu verstehende Anspielung auf die Versuchung
der Jünglinge zum Unrecht"28 rasch abgetan
. Im Ergebnis nicht eigentlich falsch (weil in der
Glaubensleistung der Gemarterten ihre Keuschheit
eo ipso enthalten ist), greift die Interpretation dennoch
zu kurz. Tatsächlich ist ein direkter Bezug zu
Daniels Bericht nirgends gegeben, - wohl aber, mit
antithetischer Stoßrichtung, zur umseitigen Szene,
wozu gewiß auch die oben zitierten Anrufungen
eine Handhabe bieten. Baidung hat sein Thema
bereits gefunden, könnte man sagen, und entfaltet
seine Geschichte in Variation. Folglich führt er uns
jetzt, am biblischen Beispiel, vor, wie die Gewalt
der geschlechtlichen Liebe auch den Menschen erfaßt
und ihn Gottes Gesetz zu entfremden trachtet
. Man erinnere sich dabei jener Zornesworte des
Propheten Jeremias; - hatte er nicht eben die ekla-

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