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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 96
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Der Umgang der Konfessionen mit Konversionswilligen

Auffallend sind Unterschiede zwischen den beiden Konfessionen im Umgang mit
Konversions willigen. Catharina Baumännin mußte feststellen, daß die relativ zentralisierten
, auf Stuttgart ausgerichteten Strukturen der württembergischen Landeskirche
ihre Betrugsabsichten mitunter durchkreuzten, denn sie wurde stets nach
Stuttgart gewiesen. Spezialsuperintendent Ludwig Beßler aus Wildbad etwa konnte
sie mit ihrem Anliegen nur weiterschicken: „So wusste ich der Specialis der Sachen
änderst [nichtj zurathen, alß dieselbe solches Gesuchs halber ad locum competen-
tem auff Stuttgardt zu weisen, und meinen unterthänigsten Bericht zum H[och]fiirst-
U'ichen] Consistorio zu übergeben/' Nicht anders widerfuhr es ihr in Tuttlingen:
„Hette sich da auch der Religion halber gemeldet, aber zur antwortt bekommen, wie
sonst aller orthen, daß da nicht der behörige orth zum Anmelden vor solche Leuth
seye. "43 Ahnliche Erfahrungen machte sie in der Markgrafschaft Baden-Durlach.
Hier schickte der Spezialsuperintendent in Durlach sie zum Oberhofprediger nach
Karlsruhe.

In katholischen Territorien fand sie keine derart zentralisierten Strukturen vor. Sie
wurde zumeist in ein Kloster gewiesen, um sich dort im Glauben unterweisen zu lassen
, Befand sich im Ort ein Jesuitenkolleg, schickte man sie in der Regel dorthin, so
in Rottweil und Freiburg. Auch die Kapuziner wurden ihr oft als geeignete Betreuer
von Konversionswilligen genannt, weshalb sie deren Klöster in Rottenburg, Weis-
senburg und Villingen aufsuchte. Tn Schlettstadt unterwiesen sie ein Kapuziner und
ein Dominikaner. Allein in Rastatt, wo es weder ein Jesuitenkolleg noch einen Kapuzinerkonvent
gab, versuchte sie ihren Betrug bei den Franziskanern. Es waren also
zumeist Konvente der beiden im Rahmen der katholischen Reform neugegründeten
Orden der Jesuiten und der Kapuziner,44 die als geeignete Instanz für einen Glaubenswechsel
angesehen wurden. Auch die anderen Fälle falscher und echter Konversionen
unterstreichen die herausragende Rolle der beiden Orden. Nicht bestätigt
wird die in der Forschung häufig zu findende Behauptung, die Jesuiten hätten sich
weitgehend auf Konversionen von Fürsten und Angehörigen der gebildeten Oberschicht
beschränkt und den Kapuzinern die breite Masse des „Volks" überlassen.45
Vielmehr haben Jesuiten und Kapuziner auf dem Gebiet der Alltagskonversionen
miteinander konkurriert.

Die Grenzen der Disziplinierung

Kehren wir zu Catharina Baumännin zurück. Ihr Lebenslauf erscheint wie der Stoff
zu einem barocken Schelmenroman. Vergegenwärtigen wir uns die Funktion des
Helden, des „Pikaro" im Schelmenroman: Der Pikaro, meist niederer gesellschaftlicher
Abkunft, „schlägt sich im Dienst verschiedener Herren, deren individuelle
Fehler und Schwächen er ebenso verspottet wie ihren Beruf oder ihren gesellschaftlichen
Status, mit Hilfe von Betrügerei, Fopperei, List und anderen unlauteren Machenschaften
, gerissen4 durch das Leben". Der Schelmenroman vermittelt eine „die
Welt in Frage stellende Sicht der dargestellten Gesellschaft vom Blickwinkel des
sozial Unterprivilegierten aus".46 Nicht anders die hier vorgestellte Pikara. Sie

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