Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 115
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als die Fliegeropfer in der Ehrensektion des Friedhofs, neben den an der Front gefallenen
Kriegern, beerdigt wurden.

Die Ambivalenzen in der Freiburger Trauerfeier spiegelten wohl die anhaltende
Schwierigkeit mancher Einwohner wider, sich in den vollen Implikationen der neuen
Kriegsform zurechtzufinden. Nach fast drei Kriegsjahren war es aber in der Tat kaum
mehr glaubwürdig, an die Aufrechterhaltung der traditionellen Spanne zwischen
Front und Heimat zu appellieren. So komplett war der Krieg in das Leben der Stadt
eingesickert, so umfassend hatte die Stadt die eigenen Energien in dem Kriegsdienst
eingesetzt, daß man die Kriegserfahrung kaum mehr plausibel in Metaphern charakterisieren
konnte, die auf die alttradierten Grenzen des Krieges hindeuteten oder
die allgegenwärtigen Auswirkungen dieses Konflikts irgendwie als , jähe" Erscheinungen
darstellten.

Die moderne Militärgeschichte hat dieselben Kontinuitäten und Interdependenzen
in ihre Praxis gebührend einzubauen, denn es geht schließlich um die Definition
ihres Forschungsgegenstandes. In den folgenden Bemerkungen soll versucht werden
, eine solch erweiterte Definition der Militärgeschichte zu untermauern. Im Zentrum
des Versuchs steht die Trauerfeier auf dem Freiburger Hauptfriedhof, die als
Orientierungspunkt dienen soll. Von hier aus laden nämlich einige durch die Trauerfeier
vereinte Zusammenhänge zu analytischen Stichproben ein, die die tiefen Verflechtungen
zwischen Krieg und Heimat in ihren operativen, wirtschaftlichen,
sozial- bzw. geschlechterhistorischen, politischen und kulturellen Bereichen veranschaulichen
sollen. Der Schluß, daß der „Krieg" eine begriffliche bzw. geschichtswissenschaftliche
Umrahmung braucht, die eben diese Verflechtungen - und damit
aber auch die Verbindungen zwischen Mikro- und Makroebenen des modernen Krieges
- eingliedert, soll damit nahegelegt werden.

Es beginnt mit der offenkundigen Tatsache: Die Feier auf dem Freiburger Friedhof
folgte auf eine Kampfhandlung. Die Stadt war selbst Operationsgebiet. Der
Überfall vom April 1917 war einer der 25 Fliegerangriffe, die im Verlauf des Krieges
in Freiburg erlebt wurden und insgesamt 31 Menschenleben forderten.2 Allen
Beteuerungen der Stadtväter zum Trotz war Freiburg kein willkürlich gewähltes Angriffsziel
. Als Garnisonsstadt und Sitz der 29, Division war die Stadt ein Knotenpunkt
des südlichen Sektors der Westfront, ein Verkehrszentrum von so hoher Bedeutung
, daß die Stadt 1917 als Etappengebiet bezeichnet wurde. Neben den Freiburger
Kasernen galten also in erster Linie der Hauptbahnhof und der Güterbahnhof
als Ziele der britischen und französischen Flieger, die freilich ohne viel Treffsicherheit
operierten und in der zweiten Hälfte des Krieges zu einer Strategie der Vergeltung
und allgemeinen Terrorisierung übergingen, Der Angriff vom April 1917 wurde
öffentlich als Vergeltung für die Versenkung eines alliierten Lazarettschiffes gerechtfertigt
,

Nur eines der Opfer dieses Angriffs trug eine Uniform, und es fiel zufällig, ein
neugieriger Zuschauer auf der freien Straße. Und doch war er eine repräsentative Gestalt
. Er war Lazarettinsasse in der Hilda-Schule, einer von tausenden genesenden
Soldaten, die im April 1917 in dieser „Lazarettstadt" zu finden waren.3 28 Lazarette
mit mehr als 5000, überwiegend belegten Betten wurden vom Roten Kreuz, von der
Militärverwaltung und verschiedenen anderen, meist kirchlichen Organisationen be-

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