Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 141
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0143
Die Deportation der Freiburger Juden nach Gurs

am 22.723. Oktober 1940

von

Ulrich P. Ecker

Alice Leimenstoll schrieb am 22. Oktober 1940 einen Brief an einen Verwandten.
Darin heißt es: Bei uns in Freiburg geht es seit Sonntag toll her. Jede Nacht haben
wir Fliegeralarm ... Auch ist heute ein besonderer Tag. Denke Dir, sämtliche Juden
werden abgeholt und in Omnibussen fortbefördert Mit der Polizei und Kriminal
wurden sie im Hause geholt und dann auf Lagerplätzen gesammelt Wie ich gehört
habe, kommen sie nach Südfrankreich und von dort mit dem Schiff weiter. Sie konnten
alle nur mit ein paar Habseligkeiten gehen, denn sie hatten nur Vi Stunde Zeit
zum packen. Ich stelle mir das vor, wenn wir sofort hätten müssen und alles liegenlassen
, was einem lieb und wert wan Wie ich gehört habe, sollen Leute , die ihr Hab
und Gut durch Bomben verloren haben, in die Wohnungen kommen z. B. Berliner,
Düsseldorfer...

Auch im Tagebuch der Polizeidirektion Freiburg von 1940, das mit dem Nachlaß
des ehemaligen Polizeipräsidenten Sacksofsky in das Stadtarchiv gelangt ist, wird
mit einer Fünfzeilennotiz unter dem Datum des 22723. Oktobers der Abtransport
der jüdischen Familien erwähnt.1 Was dort lapidar und in dürrem Amtsdeutsch wie
die bürokratische Abwicklung eines nicht besonders bemerkenswerten Vorgangs
dargestellt wurde, war der Freiburg betreffende Teil einer brutalen Abschiebeaktion,
bei der insgesamt 6500 jüdische Mitbürger aus Baden, der Pfalz und dem Saarland
ohne Vorwarnung zusammengetrieben und nur mit höchstens 50 kg Gepäck und 100
RM Bargeld pro Person nach Südfrankreich ins Lager Gurs verfrachtet wurden. Die
Aktion war unter Beobachtung strenger Geheimhaltung und zweifellos von langer
Hand durch Gestapo und Regierungsstellen vorbereitet worden. Die Gauleiter und
Reichsstatthalter von Baden und Saarpfalz, Robert Wagner und Josef Bürckel, denen
nach dem schnellen Sieg über Frankreich auch das Elsaß und Lothringen unterstellt
worden waren, nutzten eine Abmachung mit der Vichy-Regierung, die sie bewußt
falsch interpretierten. Bei den Waffenstillstandsverhandlungen hatte die Regierung
P6tains akzeptieren müssen, daß alle Juden aus dem Elsaß und Lothringen in den unbesetzten
Teil Frankreichs abgeschoben werden dürften. Wagner und Bürckel bezogen
diese Vereinbarung kurzerhand auch auf die Juden in ihren Gaugebieten Baden
und Saarpfalz. Höchstwahrscheinlich ohne das Reichsinnenministerium und das
Auswärtige Amt in Berlin zu informieren, aber natürlich nicht ohne Zustimmung
Hitlers, Himmlers und Heydrichs, veranlaßten Wagner und Bürckel in einer zweitägigen
Blitzaktion die Deportation oder - wie es verharmlosend hieß - die Evakuierung
der badischen und saarpfälzischen Juden nach Südfrankreich. Stolz auf ihre

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