Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 153
(PDF, 35 MB)
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Ein Akt der Verzweiflung: Der Freitod
des Freiburger Bürgers Max Frank (1873-1940)

- Eine Erinnerung an Gurs -

Von
Hans Schädek

Die von langer Hand und unter strikter Geheimhaltung vorbereitete Deportation von
350 jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus Freiburg nach Gurs1 schlug sich im
Tagebuch der Polizeidirektion, das für den 22, Oktober 1940 auch den Besuch der
Sicherheitsdienste (SD) von Mülhausen und Freiburg vermerkt, in einer siebenzei-
ligen Notiz nieder:

„Dienstag, 22. Oktober und Mittwoch, 23. Oktober 1940: An beiden Tagen wurden
die jüdischen Familien abtransportiert. Hierbleiben durften nur diejenigen Juden
, bei denen entweder der Mann oder die Frau arischer Abstammung sind. Weiter
blieben auch die Mischlinge hier. Zwei Juden haben Selbstmord verübt; eine Jüdin
hat sich die Pulsadern durchschnitten und starb in der Klinik, ein Jude hat sich erhängt
. Der Abtransport ging in aller Ordnung vor sich."2

Der Freiburger Jüdin Therese Loewy, die sich der entwürdigenden Verschleppung
durch den Freitod entzog, hat Hugo Ott mit seiner Erzählung „Laubhüttenfest 1940"
ein anrührendes Denkmal gesetzt.3 Nach dem Tod ihres Mannes, des angesehenen
Mathematikprofessors Alfred Loewy 1935, den man zwei Jahre zuvor aus seinem
Universitätsamt entlassen hatte, war Therese Loewy gesellschaftlich immer stärker
vereinsamt. Mit ihrer Entscheidung, aus dem Leben zu gehen, bewahrte sie sich vor
dem physischen Vegetieren und dem sicheren Tod in Gurs, wie ihn weit über 1000
Verschleppte aus Baden dort und in den Lagern von Noe, Recebedou und Rivesal-
tes erlitten.4

„Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten
." Walter Benjamins Wort, das der Erzählung über Therese Loewy vorangestellt
ist,5 trifft auch auf das zweite unmittelbare Opfer der überfallartig durchgeführten
Abschiebeaktion zu. Wer war jener Freiburger Jude, dem die Polizeichronik, wie
Therese Loewy auch, die Namensnennung vorenthält und ihn damit zur Unperson
macht? Wir wollen versuchen, dem bis heute Namenlosen seinen Namen zurückzugeben
und wenigstens die Konturen eines Menschenlebens nachzuzeichnen, das
ganz undramatisch hätte verlaufen und enden können, und dem doch nach Jahren
ständig wachsender Bedrohung schließlich so gewaltsam ein abruptes Ende gesetzt
wurde,

Es sind nur schwache Spuren, die sich noch finden lassen. Das wenige, das
erkennbar wird, beruht auf den Einträgen der standesamtlichen Register, auf den

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