Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 180
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den, Birmele sei ein politischer Häftling gewesen. In der Tat erfolgte in der „Politischen
Abteilung" die Registrierung der Häftlinge. Andererseits arbeiteten auch Häftlinge
in dieser Abteilung oder verschwanden dort.27 Man hätte sich vielleicht die
Mühe machen können, die Totenliste einzusehen: Während alle Akten von der Gestapo
und der SS bei der Räumung des Lagers Ende April 1945 vernichtet worden
waren, hatten Gefangene die Totenbücher versteckt und damit den Nachweis der
Verstorbenen ermöglicht.28 Bei Reinhold Birmele war die Bezeichnung „Polit."
nicht zu übersehen. Daß er ein Opfer des politischen Systems geworden war, konnte
nicht bezweifelt werden. Doch: Eine unheilige Allianz aus Menschen, die sich die
juristische Sichtweise des NS-Regimes zu eigen gemacht hatten, und solchen, die
den Alleinanspruch auf politische Verfolgung erhoben, ließ die Einsicht nicht zu, daß
in einem demokratischen Rechtsstaat Birmele niemals in ein Konzentrationslager
eingeliefert worden wäre.

Luise Birmele versuchte es in den folgenden Jahren immer wieder, den Beschluß
überprüfen zu lassen. Ein Erfolg blieb ihr versagt. 1954 bemühte sie sich um ein
Wiedergutmachungsverfahren. Auf der Rückseite eines Schreibens des Landesamtes
für die Wiedergutmachung Freiburg vom 12. Oktober 1954 war in einem Aktenvermerk
niedergelegt, Ministerialrat Leiser vom Regierungspräsidium Südbaden sei
der Ansicht, Birmele sei „aus kriminellen Gründen" in das KZ gekommen. Der Öffentliche
Anwalt für die Wiedergutmachung in Freiburg stellte nach Akteneinsicht
fest, er könne den Fall nicht übernehmen, denn Birmele sei verurteilt worden „aus
allgemein-polizeilichen Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf den damals bestehenden
Kriegszustand und um das Vertrauen der Bevölkerung in die Organe des
Staates nicht gefährden zu lassen". Die Gestapo hatte also ganz recht. Insofern wundert
es, daß er am 18. April 1955, als er Frau Birmele seine Entscheidung mitteilte,
immerhin von „erheblichem Unrecht" sprach, das ihrem Gatten zugefügt worden sei;
ein Entschädigungsantrag sei allerdings aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen
aussichtslos.29

Das Landesamt für Wiedergutmachung bat am 24. April 1955 dennoch um eine
Prüfung, da es für den seinerzeitigen „groben Unfug" Birmeles doch eine auffallend
strenge Maßnahme gegeben habe* Es wurde dann nach Möglichkeiten gesucht, wenigstens
aus „übergesetzlichen Mitteln" der Witwe zu helfen, die unter materiell
schwierigen Bedingungen lebte. Selbst der Öffentliche Anwalt setzte sich nun ein.30
Er strebte zunächst einen ablehnenden Bescheid des Landesamtes an, der am 18.
April 1956 erfolgte und den aufschlußreichen Satz enthielt: „Nicht jedes nationalsozialistische
Unrecht unterliegt aber der Wiedergutmachung; dies würde viel zu
weit führen." Auf dieser Grundlage versuchte der Anwalt nun, Leistungen aus dem
Härtefonds zu erwirken. Frau Birmele zögerte, weil sie sich in diesem Fall mit der
rechtlichen Beurteilung des Falles durch das Landesamt einverstanden erklären
mußte. Schließlich kam es doch zu einem entsprechenden Antrag, aber offenbar auch
zu Unstimmigkeiten zwischen Frau Birmele und dem Öffentlichen Anwalt. Nachdem
am 30. Januar 1957 auch ein Härteausgleich abgelehnt worden war, schrieb am
12. April 1957 die frühere Waldkircher KPD-Gemeinderätin Carla Cuntz-Kaiser
(1894-1988), die während des „Dritten Reiches" mehrfach inhaftiert gewesen war,
an den Anwalt.31 Sie wies darauf hin, daß Reinhold Birmele bei jeder Gelegenheit

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