Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 279
(PDF, 59 MB)
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licher Vorwand, ein Neues zu bauen." Neuem und Schwierigem widmen sich auch
die Rezensenten der Badischen Zeitung: Rilkes Duineser Elegien, Hermann Kasacks
Stadt hinter dem Strom, Thornton Wilders Iden des März. Ernst Jüngers Strahlungen
werden distanziert und ohne Kult und Beschönigung zerlegt. Eine merkwürdige
Chuzpe legt dagegen ein Verriss des Mundartdichters Hubert Baum durch Eberhard
Meckel an den Tag. Der habe sich von der „Ebene naturhaft heimatlichen Empfindens
, auf der ein Hebel emporwuchs", also vom typisch Alemannischen entfernt zum
angelesenen hochdeutschen Kunstgedicht eines Weinheber. „Man halte dagegen nur
einmal Burtes Dinge, die doch aus einem ganz anderen, gewachsenen Boden kommen
."

Wir schreiben am Tag dieser Meckelei den 15. Februar 1949. Das ist Burtes 70.
Geburtstag - eine Würdigung des wegen seiner unsäglichen und antisemitischen
Nazireden (in denen er Hitler mit Goethe verglich und in Weimar bei Buchenwald
lobte, dass man endlich gegen die Juden handle) von den Franzosen zum Schweigen
beorderten Barden wäre an der Zensur nicht vorbeigekommen. So bringt man also
dem einäugig und trotzig adorierten Hausheiligen ein Blumensträußle durch die Hintertür
. Zehn Jahre später kommen dann alle bis zum Regierungspräsidenten wieder
durch die Vordertür und ein Richard Gäng wird psalmodieren: „Er, unser Denker,
unser Künder, unser Mahner, unser Spürer, unser Weiser und Wegweiser, unsere
Seele und unser Geist, er ist unser Meister. Ihm gehören unsere Dankbarkeit, Verehrung
, unsere Liebe."10 Und die Badische Zeitung berichtet nun brav und konformistisch
, weil der Chefredakteur die Festrede hielt. - Aber 1949 druckte man nicht
Burte, sondern Lina Kromer: „Nun löst sich, was bedrücket / Des Tages Last und
Glut, / Das Menschenherz entrücket / An Gottes Herzen ruht."

Und damit wollen wir das heikle Gebiet der schiefen Heimatklänge in einer aufrechten
Heimatzeitung verlassen und das unprovinzielle Bild, das sie 1949 bot ergänzen
: Das Blatt hat dem Stadttheater ins Stammbuch geschrieben, es könne „mit
dem brennenden Sodom und Gomorrha im Rücken nicht einfach weiterspielen, als
sei auf der europäischen Bühne nichts passiert." Und was die Oper angehe, so seien
nach der Währungsreform die Besucher weggeblieben, die ein „bequemes Seelensofa
" suchten. Man verlasse also den Weg der bewährten Zugstücke und gebe der
Oper eine „klare geistige Linie und ein weltoffenes lebendiges Gesicht".

Eine klare geistige Linie und ein weltoffenes, lebendiges Gesicht - Freiburg hatte
1949 die Chance, beides in den Impulsen und Reflexen seines Radios und seiner Zeitung
aufnehmen und sich darin in Zustimmung und Widerspruch spiegeln zu können
. Wissen wir nun, was 1949 in Freiburg literarisches Leben war? Es fehlen natürlich
viele konkrete Details zu unserm Bild: Die Dichterlesung Kasimir Edschmids
mit Streichquartettumrahmung. Der Hebelpreis dieses Jahres für Wilhelm Hausenstein
, dem die Reichsschrifttumskammer 1936 mitgeteilt hatte, dass er nicht geeignet
sei, durch schriftstellerische Veröffentlichungen „auf die geistige und kulturelle
Entwicklung der Nation Einfluß zu nehmen."

Leider hatte diese Entwicklung der Nation dazu geführt, dass eine der vielversprechendsten
literarischen Begabungen der Weimarer Zeit, der Freiburger Sohn
einer jüdischen Arztfamilie, Hans Arno Joachim, 1944 in Auschwitz ermordet
wurde. Der Freund von Ernst Bloch und Peter Hüchel war ein geistvoller Essayist

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