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in den Mund: Diese ist aber nicht Sedlmayrs Ort der Gottleere, sondern - wie bei
der Mystik und in östlichen Weisheitslehren - eine leere Mitte, in der die schöpferische
Weltkraft dem Unbekannten zur Erscheinung verhilft. Baumeister sagt: „Wie
das Leben sich im Ungewissen entfaltet, so entfalten sich die Kunstwerke im Ungewissen
."
Während die Demoskopen jener Tage registrieren, 99 % der westdeutschen Bevölkerung
lehnten die abstrakte Moderne ab, konfrontieren die Kulturoffiziere der
französischen Besatzungsmacht ab 1947 die Freiburger Öffentlichkeit mit Bildern,
die zwölf Jahre lang als entartet aus Deutschland ausgesperrt geblieben waren. Nationale
Bedeutung erlangte 1947 an den rohen Lattenwänden des Friedrichsbaus die
Ausstellung Meister französischer Malerei der Gegenwart, mit 42 Gemälden von
Braque, Chagall, Leger, Matisse, Picasso, Rouault. Henry Kahnweiler kommt und
diskutiert mit den Freiburger Studenten, die sich irritiert zeigen und verstört. Einer
schreibt, stellvertretend für viele: „Wir sind den Erschütterungen des furchtbaren
Krieges entkommen. Innerlich aber hat uns dies Erleben alle irgendwo sehr verwundet
, zerbrochen, geknickt, und wir sind eigentlich so, wie uns diese Maler sehen.
Für uns bedeutet dieses Vorhalten eines Spiegels vor unser innerstes Wesen eine
Fortführung der Qual der letzten Jahre. Heilt man einen Kranken, indem man ihm
Abb. 7 Nicht nur Kunst wurde im Friedrichsbau ausgestellt. Das „Centre de Documentation" präsentierte
dort 1949 eine Ausstellung über den seit 1945 geleisteten Wiederaufbau in Freiburg. (Stadtarchiv
Freiburg, M 72 A 261)
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