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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 52
(PDF, 49 MB)
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die Frau dagegen sei ehrlich und redlich. Georg Gleckh, der an der Austeilung des
heiligen Sakraments an die Frau teilnimmt, gibt an, Pflueg ermahnt zu haben, nicht
„vor dem heyligen Sacrament und dem Priester" zu fluchen. Pflueg habe darauf hin
erklärt, die Angelegenheit bringe ihn „bej den herren in ein groß geschrey".58

In der Tat zieht sich die Schlinge um Christoff Pfluegs Hals weiter zu. Er wird
zum wiederholten Mal von seiner Frau verklagt, die ihn wüster Beleidigungen beschuldigt
, einen Priester ins Haus holen lässt und damit die Geistlichkeit zum Zeugen
der ehelichen Gewalt macht. Es zeigt sich hier aber auch, dass der Rat für die
Frau genauso selbstverständlich die Anlaufstelle in ihrer Not ist, wie dieser ihr auf
Anfrage Schutz zu gewähren bereit ist. Daneben finden sich zum ersten Mal Anzeichen
einer „Gegenstrategie" Pfluegs. „Hexe" mag so zwar ein durchaus gebräuchliches
Schimpfwort gewesen sein, eine Frau jedoch als Hexe anzuzeigen, konnte gravierende
Konsequenzen für diese nach sich ziehen.59 Die neue, spezifisch religiös
geprägte Wortwahl in Pfluegs Flüchen verwundert, ob ihres plötzlichen Auftauchens
,60 das deutlich verstärkte Fluchen generell hingegen ist plausibel, da in den
Jahren als Soldat sicherlich ein Prozess der Verrohung eingesetzt hat.

Die Vorwürfe gegen Christoff Pflueg sind jedenfalls, jeden der vier Anklagepunkte
- Eheliche Gewalt, Drohung und Beleidigung des Rates, Bruch der Urfehde
und Gotteslästerung - einzeln betreffend, schwerer geworden. Es fehlt lediglich ein
Geständnis.

Dieses versucht die Obrigkeit mit Hilfe einer 29 Punkte umfassenden „Interroga-
toria"61 zu erreichen. Pflueg bezeichnet die Mehrheit der Vorwürfe jedoch als „abso-
luti falsissima", als gegen ihn „fingiert" und erdichtet.62 Er gibt allerdings zu, die Frau
ein Hure und Hexe genannt zu haben, und beizeiten zu fluchen, wenn auch „ex mala
consuetudine." Des weiteren wolle er sie tatsächlich verstoßen, wenn s(ie nicht wie
ein „ehrlichen weib" haushalte. Das werde er „rund nit gestatten".63 Ansonsten aber
hätte er schon seiner „ 5 sinn beraubt" sein müssen, um den Rat zu beleidigen. Als er
jedoch erfahren habe, dass ein Teil seiner Schulden von Prozesskosten herrühre, habe
er seiner Frau vorgehalten, dass dies verlorenes Geld sei - „als wen mans im Rhein
werffe" - und fügt hinzu, die „heimlichen diebs Rhätten" verfolgten ihn, „wie Judas
unserem hergott", das könne er mit Gott und allen Heiligen bezeugen.64

Die Aussage ist bemerkenswert. Pflueg stellt sein Recht weiterhin gegen die
Rechtsprechung des Magistrats: Das „unehrliche" Haushalten seiner Frau verstoße
gegen dieses Recht und sei deswegen unter keinen Umständen zu dulden. Im Vordergrund
steht, dass ihm Unrecht getan wird - darüber treten alle strategisch angebrachten
, und angesichts des drohenden Urteils notwendigen Überlegungen in den
Hintergrund. Wenn nach Joachim Eibach vor Gericht „plausibel gelogen"65 werden
musste, um einer Strafe zu entgehen, so tut Pflueg hier genau das Gegenteil. Er lügt
nicht, sondern gesteht manches. Zum Schluss bestätigt er einen der schwersten Vorwürfe
gleich selbst, indem er die Beleidigung wiederholt. Dass er Gott, Jesus und
alle Heiligen dazu noch als seine Zeugen anführt, zeigt, dass er die Dimension des
gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Gotteslästerung verkennt. Wie ist dieses Verhalten
zu erklären? Die Antwort ist in seiner eigenen Ehr- und Rechtsauffassung zu finden
: Christoff Pflueg kämpft einen aussichtslosen Kampf gegen einen übermächtigen
Gegner, weil er felsenfest davon überzeugt ist, „im Recht" zu sein.

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