Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 54
(PDF, 49 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2002/0054
Urteils in der Konfliktbefriedung und der darauf folgenden Reintegration des Verurteilten
in die (Stadt-)Gemeinschaft.80 An Christoff Pflueg ist dieses Sozialdisziplinie-
rungsmodell dreimal gescheitert. Die Konsequenzen hieraus dürften für Pflueg freilich
weitaus schmerzvoller gewesen sein. Er muss sich am Ende sogar glücklich schätzen
, am Leben bleiben zu dürfen, wobei an dieser Stelle auf den zum Teil pragmatischen
Charakter dieses und höchstwahrscheinlich auch der anderen zwei Urteile hingewiesen
sei. Habsburg kämpfte im 30-jährigen Krieg, der Freiburg zwar erst 1632
direkt erreichte, aber auch vorher nicht spurlos an der Stadt vorbeigegangen war. Jedenfalls
mag die Überlegung, dass ein als Soldat kämpfender Pflueg von größerem
Nutzen sei als ein toter Pflueg, eine Rolle bei der jeweiligen Urteilsfindung gespielt
haben.81 An erster Stelle des Anklagekatalogs findet sich der Vorwurf der schweren
Gotteslästerung. In der Tat galt Gotteslästerung als kapitales Verbrechen: Die Beleidigung
Gottes musste bestraft werden. Den Hintergrund der harten Ahndung beschreibt
Richard van Dülmen folgendermaßen: „Es war gängige Überzeugung und
entsprach einem magisch-personalistischen Glaubensverständnis aller Menschen der
frühen Neuzeit, dass Gott den Missbrauch seines Namens [...] mit Krankheit, Pest,
Brand und dergleichen bestrafe. Die Tabuisierung der Blasphemie und die öffentliche
Bestrafung eines Gotteslästerers waren insofern akzeptierte Mittel zum Selbstschutz
und zur Erhaltung göttlichen Wohlwollens."82 Diese Einstellung spiegelt sich besonders
in der im Gutachten ausführlich widergegebenen Aussage der Magd Magaretha
Kutterin, die sich wegen Pflueg an die Kapuziner wendet. Deren Rat ist eindeutig
magischen Charakters, wenn auch in kirchlich sanktionierter Form.83 Dass Pflueg gesalzenes
Wasser nicht trinken will und sofort bemerkt, dass im Wasser Salz ist, verstärkt
bei Metzger die Annahme, er stehe mit dem Teufel in Verbindung. Pflueg reagierte
demzufolge auf geweihtes Salz wie ein Vampir auf das Kruzifix. Dabei wird
noch erschwerend hinzu gekommen sein, dass Pflueg in seinen Flüchen mit Vorliebe
an Hagel, Blitz und Donner appelliert, was aus oben geschildertem Blickwinkel betrachtet
erscheint, als ob er eine Landplage herbeiwünschte. Im Endeffekt geht es auch
hier um die Ehre - um die des Allmächtigen. Verbot und Strafe der Blasphemie wurzeln
im Alten Testament. Im Dekalog erklärt schließlich Gott selbst „Du sollst den
Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht
ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht".84 Im Alten Testament findet sich
auch die Verbindung zur weltlichen, in Metzgers Worten „von Gott vorgesetzten" Obrigkeit
: „Den Göttern [im Sinne von: von Gott eingesetzte Richter] sollst du nicht fluchen
, und den Oberstern in deinem Volk sollst du nicht lästern."85 Dem Magistrat
kommt damit also eine quasi-sakrale Position zu, womit die Beschimpfung der Amtsherren
so schwer wie Majestätsbeleidigung wiegt - ein , Crimen lesi Magistratus'
also.86 Einen letzten Punkt gilt es noch zu beleuchten. Die von Metzger vorgeschlagene
Trennung von Tisch und Bett berührte den Rechtsstatus der Ehe nicht, sie separierte
die Eheleute lediglich - als ,ultima ratio' in besonders schweren Fällen.87

Schluss: Christoff Pflueg vs. Freiburg - eine Frage der Ehre

Christoff Pflueg, zu Beginn des Falls noch ein Familienvater, der den Haushalt buchstäblich
in seiner Gewalt hat, steht am Ende als entehrter, mehrfach verurteilter und

54


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2002/0054