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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 68
(PDF, 49 MB)
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neswegs eingeschüchtert, sondern verhielt sich seinerseits offensiv bedrohlich.
Nachdem er in einem Verhör ein vollständiges Geständnis abgelegt hatte, ließ er die
Gerichtsschreiber nochmals zurückrufen und behauptete, das Geständnis sei ihm ab-
gepresst worden. Als er wieder in seine Gefängniszelle zurückgeführt wurde, verfluchte
er diejenigen, die ihn trotz seiner Unschuld zum Tode verurteilten und lud
sie vor das Jüngste Gericht. Danach holte er sein Geschlechtsorgan hervor und
streckte es Scharfrichter und Stadtknecht entgegen zum Beweis, dass er aufgrund
von Blattern („Variola") zum Geschlechtsverkehr überhaupt nicht fähig sei. Der erschrockene
Stadtknecht konnte jedoch nichts besonderes am Glied Kühnlins bemerken
.66 In den Augen des Freiburger Rats ist die Drohung mit dem Jüngsten Gericht
ein Beweis für Kühnlins reines Gewissen und vergrößert die Bedenken, ihn foltern
zu dürfen. Der Versuch, die Ratsherren bei ihrer Glaubensfurcht zu packen, erwies
sich als erfolgreich. Als „christliche Obrigkeit" halten sie es für bedenklich, einen
solchen Menschen durch die Tortur zum Geständnis zu zwingen.67 Die Straßburger
Rechtsgelehrten sind der entgegengesetzten Auffassung, dass nämlich ein solches
Verhalten ein Zeichen seiner gottlosen Vermessenheit und absolut sicheres Indiz des
schlechten Gewissens sei. Mit der Ladung vor das Jüngste Gericht spotte er Gott und
der Obrigkeit, man solle die Beweise und Protokolle sprechen lassen, um zu befinden
, ob er schuldig oder unschuldig sei.68

Die Ladung vor das Jüngste Gericht ist nicht das einzige bizarre Detail im Fall
Barthel Kühnlin. Schon vor seiner Verhaftung hatte er bedrohliche Dinge verlauten
lassen, und in den ersten Freiburger Verhören hatten sich sowohl Vater als auch Sohn
gegenüber der Freiburger Obrigkeit drohend verhalten. Auch hatte Barthel Kühnlin
anscheinend davon geredet, dass drei Blutstropfen in seinem Schnupftuch ihm anzeigten
, wenn ein Unglück geschehe und er auf dem Dachboden eine Schlange habe,
die die Eigenschaft besitze zu pfeifen, wenn jemand sterbe.69 Am 19. März berichtete
der Stadtknecht Simon Straub vor dem Rat, wie er Kühnlins Zelle betreten und
diesen von seinen Ketten befreit vorgefunden habe. Seine Frau habe ihm am vorigen
Abend gesagt, Kühnlin bete viel und habe angekündigt, dass innerhalb eines Tages
ein Wunder geschehen werde, wie ihm ein Kapuziner versprochen habe. Auf die
Frage, was er mit den Ketten gemacht habe, behauptete der Gefangene, dass dies
eben das angekündigte Wunder sei.70 Ob Wunder oder nicht, der Rat verfügte, Kühnlin
besser zu verwahren und verbot erneut, ohne besondere Erlaubnis Besucher vorzulassen
. Der Rat war sichtlich beeindruckt von Kühnlins Verhalten und darauf bedacht
, Kühnlin zuvorkommend zu behandeln, was man daran sehen kann, dass er,
nachdem sich der Päderast darüber beklagt hatte, dass seine Fußeisen zu eng seien,
sofort eine Lockerung derselben verfügte.71 Nachdem das zweite Straßburger Gutachten
am 30. Juni in Freiburg eingetroffen war, verfügte der Rat, Barthel Kühnlin
abermals foltern zu lassen.72 Im Ratsbuch findet sich kein Hinweis darauf, ob die
Tortur tatsächlich durchgeführt wurde. Wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte,
so wurde sie entweder wieder abgebrochen oder Barthel Kühnlin ließ sich auch unter
Schmerzen kein Geständnis entreißen, denn im Urteil vom 21. Juli 1683 lautet
der Tatbestand auf versuchte Unzucht.73

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