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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 70
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2002/0070
Die Delikte, ihre Folgen für Stadtgemeinde und Richteramt

Nach Thomas von Aquin sind alle widernatürlichen Sünden ein Verbrechen gegen
Gott selbst, da die Ordnung der Natur von Gott gegeben sei. Als natürlich wird in
sexueller Hinsicht nur der eheliche Zeugungsverkehr angesehen, während jede nicht
auf Reproduktion gerichtete Sexualhandlung in den Bereich der „contra-naturam"-
Sexualität fällt.75 Auch in den Straßburger Gutachten werden die begangenen Verbrechen
nicht nur als „Unrecht", als Verletzung obrigkeitlich gesetzter Normen gewertet
, sondern auch als „Sünde und Laster", als „wider die Seele streitende greu-
wel" vor Gott, die sich der Satan ausgesonnen habe, um Land und Menschen zu
verderben. Der Zorn Gottes, Folge solcher Vergehen, werde sich nicht nur gegen die
konkreten Täter richten, sondern gegen die gesamte Stadtgemeinde, die mit einer
Kollektivschuld beladen sei. Denn es sei ausdrücklich das „Land", das durch solche
Sünden „verdorben" werde. Ermahnend rufen dies die Rechtsgelehrten der Freiburger
Stadtregierung in Erinnerung und belegen es mit alttestamentarischen Bibelstellen
. Auf die Bedenken der Ratsherren bezüglich der Androhung Kühnlins, sie vor
das Jüngste Gericht zu laden, fragen sie unter Verweis auf Levitikus, wen sie mehr
zu fürchten hätten, den gottlosen Menschen Kühnlin oder „den gerechten Gott, welcher
, bey des richter und sünder, die das land durch dergleichen abscheuliche Sünden
verunreinigen, und nicht gebührend straffen, auszuspeyhen antrohet".76 Ausdrücklich
betonen sie, dass die Strafe Gottes sowohl diejenigen treffen wird, die die
Missetat vollbracht haben, als auch die, die der Pflicht zu strafen nicht nachkommen.

Die Idee einer göttlichen Kollektivstrafe war in den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Städten weit verbreitet. Dies zeigt eine starke Reglementierung der Lebensführung
der Stadtbewohner durch ihre Regierung, die „ ,Ehre', ,Nutzen, Frieden
und Heil' aller und der ganzen Stadt wahren, die Stadt im Schutz Gottes und in
,seligem löblichem Regiment' erhalten und Stadt wie Stadtbewohner vor dem Zorn
und den Heimsuchungen Gottes bewahren [wollte], der die statutarisch bekämpften
Manifestationen menschlicher ,superbia' unmittelbar mit Unwetter, Pest und Krieg
bestraft".77 Auch der einflußreiche Carpzov vertrat die Meinung, dass Gott nicht nur
am Täter selbst, sondern am ganzen Land Vergeltung üben werde, sofern es zu keiner
Sühne des Deliktes kommen sollte: „Ac licet maxime poenarum irrogatio delin-
quentem nec juvet, nec corrigat, attamen propter alios nequaquam haec omittenda
erit; ne scilicet ob delictum alterius impunitum, gravius quid aliis, eiusdem Civitatis
hominibus contingat. Saepe enim ob unius delictum, dum non vindicatur, DEUS in
Universum irascitur populum".78 Gegenüber dem Freiburger Rat ist es für die Straßburger
Gutachter daher ein Grund des Bedauerns, dass sich diese jegliches Maß
sprengenden Fälle im Umkreis seiner Gerichtsbarkeit ereignet haben. Sie „bemit-
leyden" die Freiburger, „dass solche wider die seele streitende fleischlichen lüste
und land verderbliche sünde und laster, durch des leidigen satans und deren so seines
theils sind, gefährliche und ärgerlich reitzungen undt antrieb in deren bott-
mäßigkeit, und bey deren, ob gleich ausserhaltigen, jedoch angehörigen unterthanen
und innwohnern, im genanten thal, unbesonnen aller deren, nach des gerechten
Gottes gerechtem zorn wider die sünde, vor hien auff ihnen ligenten göttlichen straffen
, sollen vorgangen sein".79 Nach frühneuzeitlichen Vorstellungen konnte nur

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